Donnerstag, 22. September 2011

Aus dem Archiv: La Cuisine Mario Kalweit - Der Abgeklärte

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2012".

Es hatte etwas sehr Beruhigendes, als nach den letzten Sommerferien immerhin einer der Spitzenköche Dortmunds wieder ganz regulär und wie immer auf die Arbeit gekommen war. Anders als einige seiner Kollegen, sah und sieht Mario Kalweit einfach keinen Grund, sich oder sein Restaurant zu verändern. Schließlich steht er, allem episodenhaften Auftreten von Shootingstars um ihn herum zum Trotz, seit 1999 mit seiner uneitlen, zurückhaltenden Art an der Spitze der Dortmunder Gastronomie. Und eigentlich sogar noch länger, schließlich hatte er als Küchenchef am Stern des „Art Manger“, dem direkten Vorgänger seiner jetzigen „Cuisine Mario Kalweit“, Ende der 1990er Jahre wesentlichen Anteil.

Hört man seine Konkurrenten, die den Wunsch nach einem Michelin-Stern lautstark ablehnen und ständig beschwören, dass sie bloß keine Schwellenangst fürs Publikum aufbauen wollen, so findet man bei Kalweit eine mittlerweile abgeklärte Gleichgültigkeit dieser Auszeichnung gegenüber. Und auch die Probleme, die das Dortmunder Publikum mit ambitionierter Gastronomie hat, kennt er aus langer Erfahrung und weiß, wie er seine Pappenheimer zu nehmen hat. So geht er unbeirrt seinen Weg, unterstützt von seiner Frau Susanne Thoenes im Service und seiner langjährigen rechten Hand Tobias Filthaut in der Küche.

In seiner Art zu Kochen ist Mario Kalweit nicht der alles umarmende Verwöhner, der seinen Gästen einfach unwiderstehlichen Honig ums Maul schmiert, sondern einer, der durchdacht und präzise Aromen und Zutaten kombiniert und zu konzentriertem, genussvollem Schmecken animiert. Wenn beispielsweise zwischen den Gängen eines Menüs das Hagebuttensorbet auf Grütze aus millimeterkleinen Apfelwürfelchen mit Süßholzschaum gekrönt ist, ergibt sich im Mund eine Aromenkombination ohne jede oberflächliche Süße, sondern mit einem, ich möchte sagen, erwachsenen bitter-fruchtigem Aromenspiel – ähnlich wie bei dem furztrocken ausgebauten Grünen Veltliner vom Weingut Rabl aus dem österreichischen Kamptal, der zum Fischgang gereicht wurde.

Eine Vorliebe Kalweits gilt der regionalen Küche, die er seit dem Kulturhauptstadtjahr auch mit Julius Meimberg aus Herne, Stefan Manier aus Waltrop und Dirk Eggers aus Sprockhövel in der Köchegruppe „ReVier“ bei gemeinsamen Aktionen pflegt. Wenn er in seinem Restaurant den Menüvorschlag „Regionales Genießen“ anbietet, bedeutet das nicht, dass er frühkindlichen Geschmacksphantasien schwelgt, sondern er analysiert, was die Region an Eigenheiten hergibt und kombiniert sie zu ganz eigenen Kreationen. Und das sind hier im Ruhrgebiet die Gartengemüse, Kleinvieh und verschiedene landsmannschaftliche Einflüsse. Im regionalen Test-Menü (5 Gänge, Fingerfood, Amuse Gueulle, 79 Euro) kamen allein drei Sorten – natürlich selbst gemachter - Blutwurst vor. In den winzigen Fingerfood-Häppchen ganz vorweg eine „normale“, im als Amuse Gueulle gereichten Raviolo auf Karottengelee eine von der Ente, und im ersten Gang eine vom Kaninchen, kombiniert mit Kartoffelwildkräutersalat und dem Rücken des gleichen Tieres.

Angerichtet werden Kalweits Kreation mit schelmischem Witz. Manchmal sind die Bestandteile wie ein Smiley auf dem Teller arrangiert, manchmal blinken die Saucentropfen zweifarbig wie die Augen von Teddybären. Die Einlage zur in einer gläsernen Teetasse servierten gebutterten Brunnenkressesuppe, eine mit geräuchertem Kalbsbries gefüllte Maultasche an Brunnenkressesalat, gab’s z.B. extra.


Fingerfood



Amuse gueulle

Raviolo mit Entenblutwurstfüllung auf Karottengelee

Filet und Medaillon vom Kaninchen


Bachsaibling mit marinierter Kalbszunge


Der Fischgang faszinierte durch die Kombination zweier verschiedener Zutaten. Der sanft pochierte Bachsaibling war mit marinierter Kalbszunge belegt, deren Würze den schön herausgearbeiteten Eigenschmack des Fisches nicht übertönte. Stielmus und Pfifferlinge brachten zartbittere Raffinesse ins Spiel. Ein hübscher Kamm aus polnischer Butter, das sind geröstete Semmelbrösel mit Butter verrührt, unterstützte die Geschmacksvielfalt.

Medaillon und Sauerbraten vom Reh

Für den Fleischgang hatte ich den Menüvorschlag abgewandelt und statt des Medaillons vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein das Medaillon und Sauerbraten vom Reh mit Mandel-Brokkoli und Kirschknödel aus dem großen Traiteur-Menüvorschlag (7 Gänge, Fingerfood, Amuse Gueulle, 104 Euro) gewählt. Eine Woche hatte die Rehkeule in einer sanft sauren, der Jahreszeit entsprechenden noch nicht weihnachtlich gewürzten, angenehm sauren Marinade gelegen. Dennoch kamen mit dem Lebkuchencrouton der Garnitur und dem Kirschknödel wunderbar warme Töne ins Spiel. Das mürbe Fleisch des Sauerbratens in Kombination mit dem perfekt rosa gebratenen Medaillons aus dem Rücken ergab so einen einzigartigen Fleischgenuss. Zumal der dazu empfohlene Wein, die südtiroler Cuvée „Perlhofer 2009“ aus Vernatsch, Lagrein und Merlot vom Weingut Ritterhof, eine elegante Ergänzung war.

Dessert

Das Dessert des regionalen Menüs war dann Ruhrgebiet pur: Streuselkuchen mit Mousse von der Pflaume und Mohneis, ausgarniert Rotweinpflaumen, Karamellplättchen und Amaretto-Sauce – ein wunderbares Finish für ein wunderbares Menü.


Espresso


Einmal auf den Geschmack gekommen, mochte man die Kalweit’sche Kochkunst eigentlich nicht so schnell vergessen. Wie gut, dass man seine Blut- und anderen Würste auch im Glas mitnehmen zum Mitnehmen gab. „Wurstmachen ist mein Hobby“, erklärte der Spitzenkoch – allerdings mit Unterstützung seines Schwiegervaters, einem Metzgermeister.
-kopf

44141 Dortmund-Gartenstadt, Lübkestr. 21
Fon 02 31. 5 31 61 98
Mi-Sa ab 18 Uhr nur mit Vorbestellung. , Küche bis 21.30 Uhr Ruhetage: So, Mo geschlossen, Di Vorbereitung
https://mariokalweit.de/

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