Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2012".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2024) befindet sich hier das Restaurant "Albero Verde".
In diesem Jahr konnte Angelo Coppola das 10-jährige Bestehen seines Ristorante Piazza Navona feiern, und ich kann mich noch gut an die kleine Pressekonferenz erinnern, mit der 2001 die Eröffnung des Lokals medienwirksam flankiert wurde. Die Puppenhaus-ähnlichen Jugendstilvillen der idyllischen Gartenstadt rundum bildeten einen stilsicheren Kontrast zu dem säulengestützen Interieur des Lokals, das in italienischer Unbekümmertheit die barocken Vesatzstücke des namensspendenden römischen Platzes Piazza Navona zu einem noblen Italo-Feeling zusammenzitierte. Coppola tischte einige typisch römische Gerichte auf und erzählte von seinem berühmten amerikanischen Namensvetter, dem Filmregisseur Francis Ford Coppola, der jedes Jahr in die Gegend ihres gemeinsamen Familien-Heimatortes kam, um dort zu feiern.
Die Ausstattung des Hauses hatte sich seit jener Zeit öfter einmal geändert und wird es wohl demnächst auch wieder tun, die grundlegende Stilistik ist aber geblieben. Etwas angespannt war die Atmosphäre, als ich jetzt den Raum betrat. Der Padrone hatte das Telefonino am Ohr und ließ mich warten, um mich dann zu einem Platz seiner Wahl zu geleiten. Dabei war der Laden am frühen Abend fast leer. Lediglich fünf Herren schlossen gerade ein Geschäftsessen ab und gingen bald. Es erschien noch ein elegant gekleidetes Senioren-Paar, das mit seinen Kindern und Schwiegerkindern anscheinend ein Familienfest im kleinen Kreise begehen wollte, und zwei lässig gekleidete Typen kamen auch noch, von denen ich den einen aufgrund seiner imposanten Statur für einen Sportler hielt. (Dass zufälligerweise auch noch der Kollege eines Veranstaltungsmagazins samt Papa seinen investigativen Tester-Auftritt hatte, sei zwar erwähnt, würde die zu erzählende Geschichte jedoch zerfransen. Doch musste ich unwillkürlich an Mercello Mastroianni in Fellinis Filmklassiker „La Dolce Vita“ denken.) Dann geschah endlich das, was die angespannte Atmosphäre erklärte. Ein Truppe von ca. 15 drahtigen bis untersetzten Männern betrat nervös den Raum und zog alle Aufmerksamkeit auf sich: die Schiedsrichter-Equipe des Champion-League-Spiels, das am nächsten Tag in der BVB-Arena stattfinden sollte. Mit Dolce Vita war Schluss. Dortmund war schlagartig überall, auch in der Piazza Navona.
Betrachtet man die Karte des Lokals, so fällt einem tatsächlich der Begriff „Fußballerküche“ ein: im höheren Preisspektrum angesiedelt, schließlich verfügen die Vertreter dieses Wirtschaftszweiges über gut gefüllte Spesen- und Privatkonten, gute Zutaten, die unkompliziert und wenig kreativ zubereitet sind. Schließlich ist man gewohnt, das zu tun, was der Trainer sagt bzw. das zu essen, was auf den Tisch kommt. Italien ist da immer gut. Eine Tageskarte gibt es im Piazza Navona nicht, dafür den gängigen Kanon der italienischen Küche: Salat, Pasta, Pesce (Fisch), Carne (Fleisch) und Dolce (Dessert). Den Gipfel der Kreativität bildete das in der Salzkruste zubereitete Filet vom Angusrind (24,50 Euro), das dem vermeintlichen stattlichen Sportler serviert wurde und mit gelangweilter Routine am Tisch von seinem Salzmantel befreit wurde.
Als Vorspeise bestellte ich Insalata di Arance e Bresaola (Orangensalat mit luftgetrocknetem Rinderschinken und Parmesankäse, 13,50 Euro), ein hübsch angerichteter Gang, der durch die Kombination der Fleischspezialität aus dem Aostatal mit der Orangensüße und dem Käse bestand. Leider war der verwendete Essig ein wenig zu scharf, so dass die die Orangen etwas untergingen.
Die große gläserne Vitrinentheke mitten im Gastraum, in der sich eine wunderbare Auswahl großer, frischer Fische tummelte, animierte gerade dazu, als Hauptgang Pesce misto alla Griglia (Gemischter Fischteller vom Grill, 24,50 Euro) zu bestellen. Er bestand aus Seeteufel, Heilbutt, Loup de Mer und Gamba, mit etwas gegrilltem Gemüse, Kartoffelscheiben und Balsamico-Crème-Malerei bunt angerichtet. Trickreich verbarg sich auch unter einem Fischstück ein Spiegel dieses süßen Säure-Spenders, der der ganzen Sache wohl Geschmack geben sollte. Die Fische hatten anscheinend ein paar Sekunden zu lange auf dem Rost gelegen. Der weichfleischige war etwas breiig, die beiden festfleischigen hatten nicht mehr jene knappe Glasigkeit, die sie zur Delikatesse hätte machen können. Die Gamba war nicht knackig, sondern zäh.
Formaggio alla Griglia (Gegrillter Käse mit Honig, 9 Euro) erwies sich als ein nettes Dessert, das auch als Vorspeise hätte durchgehen können. Zusätzlich zum Honig wurde eine pikante Chilisauce serviert, die an Asia-Kost erinnerte.
Als ich mit meinem Essen fertig war, waren die geflissentlich bedienten Herren Schiedsrichter noch munter am Speisen. Da erfordertes es einiges Durchsetzungsvermögen, um an mein Wechselgeld zu kommen. So ist das eben, wenn man sich allein unter Fußballer begibt. Aber was bleibt einem in Dortmund auch anderes übrig?
-kopf
44141 Dortmund-Gartenstadt, Lübkestr.9
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