Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2012".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2022 residiert unter dieser Adresse das "Rilasso (klick hier)".
Ein wenig schmunzeln musste ich schon, als ich auf einer Restaurantkritik-Plattform im Internet einen Eintrag fand, in dem sich der Autor über die schlechten Parkmöglichkeiten am Da Raffaele beschwerte, dann aber einschränkend fragte: „Aber wer fährt schon zum Parken zum Edelitaliener?“ Denn wenn man nicht gerade der einzige Gast ist (wie ich beim Test-Essen zur Mittagszeit), stehen auf dem breiten Bürgersteig vor dem etwas abseits gelegenen Herdecker Ristorante die prächtigen SUVs, Cabrios und Limousinen aus DO, HA, EN und weiter weg mit italienischer Nonchalance und etwas illegal aufgereiht. Doch was die solvente Kundschaft bei Raffaele vereint, kommt nicht aus der Garage, sondern aus der Küche. Letztes Jahr war ich zufällig in eine Party geplatzt, bei der der graubärtige Padrone mit dem jugendlichen Piratentuch einer treuen Stammgäste-Schar eine sündhaft teure weiße Alba-Trüffel auf Spiegeleier und einfache Nudeln hobelte, während ich, der von dem kulinarischen Event natürlich nichts mitbekommen hatte, mein bereits bestelltes à-la-carte-Menü auslöffeln musste, was dem Gaumen allerdings nicht weniger schmeichelte als der aromatische Edelpilz.
Als ich diesmal wiederkam, gab es wieder eine Überraschung. Nach elf Jahren hat Raffaele seinen Laden renoviert. Statt in tiefem Rot strahlen die Wände jetzt in sanftem violett, ebenso gefärbte LED-Lampen leuchten indirekt die Fronten der neuen Theken aus amerikanischem Nussbaum aus. Die 47 Stühle und die lange Posterbank am Kopfende des Gastraumes sind mit ebenfalls violettem Kroko-Lederimitat bezogen. Entworfen hat die neue Ausstattung Raffaele selbst und damit seine Geschmackssicherheit bewiesen, die auch sein Essen auszeichnet. Dabei geht bei aller Eleganz und Raffinesse die Gemütlichkeit eines italienischen Familienbetriebs nicht verloren.
Die handgeschriebene Speisekarte erinnerte mich stark an die vom letzten Jahr. Kostete die Steinpilzrahmsuppe damals 9 Euro, kostet sie dieses Jahr 9,50 Euro. Gab es damals Tagliolini mit Hummer, gibt es dieses Jahr welche mit Steinpilzen (14 Euro). Überhaupt scheint die Karte eher die Auflistung der Zutaten zu sein, die im Hause vorrätig sind und die nach Wünschen des Gastes oder nach Vorschlägen des Kochs individuell kombiniert werden können. Italienisch daran ist nicht das Pizza-Pasta-Einerlei, sondern die möglichst einfache, den Eigengeschmack der hervorragenden Zutaten herausarbeitende Zubereitung. Als ich mir eine kleine Vorspeise wünschte, schlug Raffaele gleich einen gemischten Salat mit Pfifferlingen und Parmesan vor (10,50 Euro), der in der Form gar nicht auf der Karte stand. Er wolle dann die Salatbeilage bei den gemischten Fischen vom Grill (24,50 Euro), die ich als Hauptgang gewählt hatte, durch Gemüse ersetzen. Wenn ich mir zur Fischplatte auch noch die Stopfleber (als Vorspeise mit Salat 18,50 Euro) gewünscht hätte, wäre das sicherlich auch kein Problem gewesen.
Gemüsebeilage
Die warmen Pfifferlinge auf der kühlen Blattsalat-Mischung waren genau das richtige an diesem zwar sonnigen, aber kühlen Herbst-Mittag, allein der Essig der Marinade hätte vielleicht ein wenig edler ausfallen können. Die Fischplatte, die dann folgte, war ein Genuss. Jeder Feinschmecker kennt das ja: Man hat ein Referenz-Gericht im Hinterkopf, das man irgendwann einmal gegessen hat und in der Erinnerung zum ultimativen Geschmackserlebnis wird, das nie wieder erreicht wird. Bei mir ist das eine gemischte Fischplatte, die ich einmal vor Jahren in einem Essener Spitzenlokal gegessen habe, und an die der Fischreigen bei Raffaele allerdings bedrohlich herankam. Schön geschnittene Filets von Steinbutt, Seeteufel, Thunfisch in Sushi-Qualität und schottischem Bio-Lachs sowie Scampi und Jacobsmuschel waren optimal gegrillt. Außen himmlisch braun, innen der Fischart entsprechend à point, von leicht rosa über glasig bis wattig und knackig – da hatte einer hoch konzentriert am Grill gestanden. (Naja, wenn nur einziger Gast aufs Essen wartet…) Die Würze kam nur vom mit gegrillten Knoblauch und von der Zitrone, die ich mir selbst darüber träufeln konnte. Die Gemüsebeilage aus grünen Bohnen, Karotten, Blumenkohl und Brokkoli und war ganz einfach ohne Chi-Chi, aber typisch italienisch nur bissfest blanchiert. Als ich mir ein anderes Messer ausbat, um den Brokkoli zerteilen zu können, reagierte Raffaele fix und murmelte was von „al dente“. Dabei hätten meine Zähne den Brokkoli durchaus geschafft, mein Lieber, nur das stumpfe Fischmesser scheiterte.
Was sonst noch zu erwähnen wäre? Ach ja, der Wein, ein animierender Pinot Grigio (6 Euro), der den Fisch gut rutschen ließ, und der Nachtisch, der so auch nicht auf der Karte stand: ein Schokoladen-Soufflé in Vanillesauce (6,50 Euro). Von außen sah das süße Ding aus wie ein Muffin. Zerteilte man den luftig gebackenen Teig, so strömte einem flüssige Schokolade mit einem unwiderstehlichen Duft entgegen.
-kopf
58313 Herdecke, Dortmunder Landstraße 45
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