Dienstag, 20. September 2011

Aus dem Archiv: Dieckmann's - Home is where the belly is

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2012".

In gewisser Weise ist das Hotel und Ausflugslokal Dieckmann’s an der Wittbräucker Straße der Gegenentwurf zu den großen Traditionsgasthöfen, von denen der Dortmunder Süden so einige Prachtexemplare aufzuweisen hat. Gemeinsam mit ihnen hat Dieter Lottes Konzept-Gastronomie ein historisches Gebäude, das durch zahlreiche Anbauten für die gewachsenen gastronomischen Ansprüche immer wieder erweitert wurde und einen Biergarten (und darüber hinaus eine Minigolf-Anlage und eine Wiese fürs Ponyreiten), doch die helle, modisch-mediterrane Ausstattung geht weit über die westfälische Gemütlichkeit, die anderswo gepflegt wird, hinaus. Vielmehr orientiert sich Dieckmann’s an den modernen Urlaubs-Gewohnheiten seiner Gäste. Dieckmann’s ist eine Event-Location, und auch Star- und Sterne-Köche wie Heiko Antoniewicz oder Björn Freitag kommen gelegentlich vorbei, um hier ihre Küchenpartys zu veranstalten. Nichts konnte bei unserem letzten Besuch die lässige Atmosphäre des Hauses besser illustrieren als das Liebespaar, das unter den Topfpalmen der Terrasse in der goldenen Herbstsonne liebevoll knutschte – und den DoGA-Tester bei seiner eigentlichen Aufgabe mächtig ablenkte.

Auch bei der Küche spiegelt sich Dieckmann’s Konzept in dem Motto wieder, das provokativ die Speisekarte krönt: „Weiterentwickelt - kreativ - frisch - handwerklich – überregional“. In der Tat bieten die Küchenchefs Michael Zeisig und Oliver Isphording jenen attraktiven Mix aus deutschen, mediterranen und ein wenig asiatischen Einflüssen, die die weltläufig gewordene bürgerliche deutsche Küche des 21. Jahrhunderts auszeichnet, sei es als Spinat-Riccotaravioli mit Tomaten und Salbei (9 Euro 50) oder als Thaisuppe mit Gemüse und Huhn (klein 5, groß 7 Euro). Die Adjektive „frisch“ und „handwerklich“ machen aber ebenso deutlich, dass hier durchaus kulinarische Heimatgefühle gepflegt werden. Um es neudeutsch auszudrücken: „Home is where the belly is“.

Besonders schön ist, dass Dieckmann’s als Hotel-Küche ab 11 Uhr durchgehend geöffnet hat, und so kann man sich auch schon am späten Nachmittag, wenn die Lunch-Karte der Mittagszeit nicht mehr gilt, ein Dinner genehmigen. Als Vorspeise kamen beim Testbesuch gebratene Pfifferlinge mit Kartoffelcreme und Kräutersalat (7,50 Euro) auf den Tisch, ein Gericht, wie man es sich wünscht: leicht, aromatisch, perfekt angerichtet, im Grunde eine komplette Mahlzeit.



Schaschlik

Das Hauptgericht wurde gewählt, weil ich beim Lesen der Karte schmunzeln musste. Wann habe ich bloß das letzte Mal ein „Schaschlik“ gegessen? Ich glaube, es war vor x Jahren im Bochumer Kult-Imbiss „Rösti“. Was bei Dieckmann’s aufgetischt wurde, hatte jedoch nichts mit dem Pommesbuden-Standard zu tun, sondern es waren drei Holzspießchen mit saftig geschmorten Stücken vom Eichelschwein und Speck-Kartoffelstampf, Kohlrabi und Kressesalat (17,50 Euro) sowie einer wunderbaren Sauce. Auch hier konnte man die Bezeichnung „frisch und handwerklich“ nur noch mit „perfekt“ ergänzen.

Dessert

Das Dessert war dann der Hammer: ein Riesenteller Milchreis mit Kompott von getrockneten Sauerkirschen und einem Schlag Kirsch-Sorbet (5,50 Euro). Warum war das bloß so lecker, dass ich den Teller leer essen musste? Denkt in der Küche eigentlich niemand daran, dass der Gast beim Nachtisch schon gegessen hat?

-kopf

Wittbräucker Str. 980, 44265 Dortmund-Syburg
Fon 0231. 77 49 44-19
Di-So ab 11.30 Uhr. Mo geschlossen
https://dieckmanns.de/

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