Sonntag, 29. Juli 2007

Aus dem Archiv: Gasthof Brendel - Quadratur des Kreises

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2007/2008".
Das Restaurant existiert nicht mehr. Seit 2023 betreibt Dirk Brendel das Restaurant "Frau Specht" In Duisburg.

Über die Schönheit eines Schweinekoteletts wurde an dieser Stelle schon öfters philosophiert, aber das, was ich bei unserem diesjährigen Testbesuch im Gasthof Brendel auf den Tisch bekam, ist eine besondere Erwähnung wert. Die niederrheinischen Schweine, deren Fleisch Dirk Brendel aus der Umgebung bezieht, müssen mordsmäßige Kawenzmänner sein, denn dem Ausmaß nach erinnerte mich das Teil an ein texanisches T-Bone-Steak, von dem bekanntlich eine ganze mexikanische Familie satt werden kann. Etwa ein Drittel des Koteletts war in appetitanregende Scheiben geschnitten, der Rest bildete mitsamt dem Knochen eine Art archaischer Skulptur, goldbraun schimmernd gebraten. Darüber lag wie ein Brückenbogen die abgeschnittene, schön knusprig frittierte Schwarte, von der man krachend ein Stück abbeißen konnte, nachdem man sich zuerst am saftig-kernigen Muskelfleisch gütlich getan hatte.

Es scheint, als würde Dirk Brendel in seinem Gasthof mit der Gleichzeitigkeit von deftiger Bodenständigkeit und abgehobener Gourmetküche die Quadratur des Kreises schaffen. Trotz seiner Lage im rheinischen Duisburg-Friemersheim wirkt das Haus wie ein Ruhrgebiets-Idyll schlechthin. Umzingelt von Phänotypen der Multikulti-Imbissbuden-Kultur von chinesisch über griechisch bis türkisch und italienisch, bietet der Gasthof mit dem wohlgepflegten Ambiente einer Arbeiterkneipe aus der Nachkriegszeit ein Küchen- und Service-Angebot, dass mit erlesener Weinkarte, kapriziösem Amuse bouche und feinem Spargelschäumchen als Rachenputzer zwischen den Gängen auch den verwöhnten Gourmet z.B. aus dem nahen Düsseldorf zufrieden stellt (und mit seiner relativen Hochpreisigkeit auch blendend bestätigt). Logischerweise besingt aus den Lautsprechern nicht Heino den blauen Enzian, sondern Diana Krall säuselt etwas von einer Frim-Fram-Sauce.

Eigentlich ist es schade, dass ich hier unsere getesteten Gerichte aus Platzgründen nur kurz beschreiben kann, denn die handwerkliche Präzision, mit der Dirk Brendel Regionales und Mediterranes in Richtung Sterne-Küche dreht, hätte mehr verdient. Als Beilage zum derben Kotelett (22 Euro) gab es kontrastiv feinen Karamellspitzkohl und Kartoffel-Schalottenpüree. Der gebratene Zander auf rheinischem Sauerkraut mit Morcheln und Kartoffelstroh (23 Euro) war eine äußerst gelungene Kombination, in der die Säure des Krautes den Fisch schön ergänzte, während die Morcheln die dunkle Unterlage lieferten. Die Vorspeisen brachten kulinarische Weltläufigkeit auf den Teller. Das klassische Carpaccio vom niederrheinschen Rind mit Tomaten, Parmesan, Knoblauch und Basilikum (14 Euro) hätte es beim Italiener nicht besser geben können, während der Blutwurstknödel mit marinierter Gänsestopfleber, Kartoffel-Endivien-Püree und Schalotten (14 Euro) wie ein Ausflug in die ländliche französische Küche wirkte. Edel gaben sich die Desserts. Mousse von Valrhona-Schokolade mit Himbeeren (9 Euro) und grantinierte Weinbergpfirsiche mit Pinienkernen, Vanille und Rosmarinhonig-Sabayone (10 Euro) überzeugten durch seltene Zutaten und lustbestätigende Geschmackskombinationen.

-kopf

Duisburg-Friemersheim, Kaiserstr. 81

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