Dienstag, 20. August 2013

Aus dem Archiv: Vatania - Symphonie der kleinen Teller

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2014".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Schon seit längerer Zeit besinnen sich griechische Restaurants darauf, dass die griechische Küche weit mehr zu bieten als das fleischlastige Imbiss-Angebot von Gyros, Souvlaki und Bifteki und die gummiartig ausgebackenen Tintenfischringe. Wie in anderen Mittelmeerländern gibt es in Griechenland ebenfalls eine Ess-Kultur der kleinen, überaus vielfältigen Tellergerichte, die im globalisierten Touristen-Neudeutsch nach der spanischen Variante Tapas genannt werden, ganz gleich, ob es sich um portugiesische Petiscos, italienische Antipasti oder auch chinesische Dim Sum oder westfälisches Fingerfood handelt. Auf Griechisch heißt so etwas Meze bzw. Mezedes im Plural. Serviert werden sie auf kleinen Tellern, die in der Antike Vatania hießen, und Vatania ist der programmatische Name des neuen Ladens von Petros Kyropoulos mitten in Bochums quirligem südöstlichen Stadtteil Linden. Sage und schreibe 104 Mezedes hat Petros auf seiner Karte.

Bis man in deren Genuss kommt, muss man das Vatania erst einmal finden. Es liegt zwar an der vielbefahrenen Hattinger Straße, doch muss man erst eine Treppe bzw. eine Rollstuhlfahrerrampe hinunter gehen, um an den Platz an der Liebfrauenkirche zu kommen. Früher war hier der Italiener Don Remmo. Das Vatania ist im modernen hellen Bistrostil eingerichtet, von den Fotos an den Wänden lächeln in Erinnerung an glamourösere Griechenland-Zeiten ein stoppelbärtiger Alexis Sorbas und eine blonde Melina Mercouri um die Wette.

Wir lassen uns zu einem etwas schweren griechischen Riesling „Atelier“ (ja, so was gibt es!) und einem roten Santorini-Wein „Atlantis“ eine Teller-Symphonie von acht Mezedes auffahren, von denen wir zu zweit gut satt werden. Neben Klassikern der griechischen Küche gibt es eine ganze Reihe von Gerichten, die wir noch entdecken müssen. Die Zubereitung ist nicht übel, kommt bei Zutaten, die man aus gehobenen Restaurants kennt, an diese aber nicht unbedingt heran. Die Dolmadakia Jalantzi (4,50 Euro), mit Reis gefüllte Weinblätter, sind größer als anderswo und überzeugen durch eine sämige Zitronenbuttersauce. Chorta (4,90 Euro), gedämpftes Wildgemüse mit Olivenöl und Zitrone, entpuppt sich als kalter Mangold-Salat. Melitzana Kapakoti (5,90 Euro) ist eine schöne gegrillte, sanft mit Knoblauch und Feta gefüllte Aubergine. Bakaliaros Skordalia (6,20 Euro) besteht aus einem saftigen, panierten und gebratenen Stück Stockfisch, das Kartoffel-Knoblauchpüree dazu ist schön stückig – großartig. Beeindruckend die Midia Tiganita (6,90 Euro) aus drei gebratenen Jakobsmuscheln, gewürzt mit Knoblauch, Rosmarin, Zitrone und Olivenöl und begleitet von frischem Gemüse, während die Kalamarakia Tiganita (6,50 Euro), frittierte Baby-Calamaris mit Knoblauchsauce, eher cremig als knusprig sind. Ein Höhepunkt sind Paidakia (7,40 Euro), zwei butterzarte aus dem Karree geschnittene Lammkoteletts, die sich wie ein Eis am Stiel vom Knochen lutschen lassen. Nur die Gemüsebeilage aus Kraut, Karotten und roten Zwiebeln scheint ein wenig banal. Zum Nachtisch gibt es schließlich Ravani (3,50 Euro) von der Empfehlungskarte, einen Grießkuchen, der überraschend locker und saftig ist.

-kopf

44879 Bochum-Linden, Hattinger Str. 806


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