Samstag, 10. August 2013

Aus dem Archiv: Vincent & Paul - Cooles Vermächtnis

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2014".
Das Restaurant gibt es in dieser Form nicht mehr.


Eines der coolsten Vermächtnisse, das Berthold Beitz, der am 30.7.2013 im Alter von fast 100 Jahren verstorbene Kuratoriums-Vorsitzende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der Stadt Essen gemacht hat, ist der Erweiterungsbau des Museums Folkwang. Selbst bei sommerlichen Temperaturen wirkt der weiß-grau schimmernde Bau des Star-Architekten David Chipperfield angenehm kühl. Zweimal durfte ich das bislang erfahren, als ich im Museums-Restaurant Restaurant „Vincent & Paul“ essen konnte. Das erste Mal war es im Kulturhauptstadtjahr 2010, als der Andrang im neuen Museum riesig war und die Restaurant-Crew um den aus München an die Ruhr geholten Koch Frank Heppner damit kaum fertig wurde. Das zweite Mal war es in diesem Sommer, kurz vor dem Todestag von Berthold Beitz, als ich ziemlich allein auf der todchicen Terrasse saß, und mir nach einem wunderbaren Testessen eine „fée verte“, einen grünen Absinth, in Gedenken an die Namenspatrone des Hauses Vincent van Gogh und Paul Gauguin genehmigte. Die unterschiedliche Publikumsfrequenz bei meinen Besuchen mochte den schwierigen Spagat des Restaurants zwischen Museums-Catering und Gourmet-Anspruch illustrieren, der anscheinend auch zur Folge hatte, das Frank Heppner das Haus schon bald verließ und auch sein Nachfolger Jan Schlögl bei meinem zweiten Besuch nicht mehr da war. Dennoch war das Menü ausgezeichnet. Die von den beiden ehemaligen Küchenchefs eingeschlagene Richtung der gehobenen Küche wurde auch von einer augenscheinlich nur interimistisch abreitenden Küchencrew exzellent weiter verfolgt.

Schon das Amuse bouche, eine gebratene Garnele auf Nektarinenchutney, war optisch und geschmacklich ein Genuss. Die Vorspeise mit dem Titel „Essenz im Sommer“ (10 Euro) glich dann einem Kunstwerk von Joseph Beuys: eine gelierte Kalbsessenz glibberte auf dem Teller und umgab wie ein in grauen Wellen erstarrter Atlantik eine Ossobuco-Praline mit einem Häubchen Sauce Bourride, deren Zutaten Zitrone, Petersilie, Rote Paprika und Macis auf der Speisekarte gleich mitaufgeführt waren. Geschmacklich sehr fein, war es eine interessante Erfahrung, die Suppe wie eine kalte Götterspeise zu löffeln.

Der Hauptgang, ein Ragout vom bretonischen Hummer mit hausgemachten Taglierini, grünem Spargel, Tomaten, Kräutersaitlingen und mit Estragon gewürzt, brachte dann die intensiven Sommerfarben den beiden Namenspatrone des „Vincent & Paul“ auf den Teller. Obwohl etwas unliebevoll angerichtet, waren die 34,50 Euro für den Gang gut angelegt, denn der Hummer war von ausgezeichneter Qualität. Nicht weniger großartig war der südafrikanische Rosé von Danie de Wet, der dazu empfohlen wurde. Allein sein wunderbarer Duft konnte einen Skeptiker sowohl mit Rosé als auch mit südafrikanischem Wein versöhnen.

Den Abschluss machte dann ein sommerliches Stück Aprikosenkuchen mit saurer Sahne und Haselnusseis (9 Euro). Das Ganze war mit etwas Kürbsikernöl gewürzt und mit einem hauchdünnen Schokoladensegel aufgetakelt, das von der abendlichen Wärme ganz langsam gerefft wurde, bevor ich es einfach aufaß.

Die Melancholie, die mich bei aller feinschmeckerischen Befriedigung bei meinem Besuch befiel, kam jedoch nicht von ungefähr. Das Haus wird es in dieser Form nicht mehr weiter geben. Am nächsten Tag wurde gemeldet, dass das „Vincent & Paul“ nach der Sommerpause ab Ende August 2013 von den Essener Spitzengastronomen Franco Giannetti (Grill-Room Bistecca) und Alexander Röder (Golfclub Haus Oefte) übernommen wird. Es wird ein neues Konzept geben, die deutsche Küche wird dann neu interpretiert. Ich glaube, es wird spannend, wenn ich das „Vincent & Paul“ ein drittes Mal besuchen werde.

-kopf

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