Dienstag, 8. September 2009

Aus dem Archiv: Davidis - Zweite Klasse beim Spitzenkoch

Der Text war vorgesehn für "Dortmund geht aus 2009/2010"
Das Hotel gehört heute zu den Dorint Hotels. Sascha Heitfeld verließ das Haus 2011.


Es war schon eine kleine Sensation, als Ende 2007 sich das „Grand Hotel Mercure“ an der B1 in „Hotel Pullman“ umbenannte. Denn mit der Namensänderung ging eine Beförderung des Hauses im Rahmen des Accor-Konzerns einher, mit der es in eine höhere konzerninterne Luxus-Kategorie aufstieg. Noch größer war die Überraschung, dass mit diesem Rebranding auch Sascha Heitfeld, der kurz zuvor erst die Küchenleitung des Turmrestaurants „Florians“ im Westfalenpark übernommen hatte, ins Pullman wechselte, um dort das Gourmet-Restaurant „George“ zu eröffnen.

Neben diesem ambitionierten Projekt übernahm Heitfeld aber auch die Küchenhoheit über das „normale“ Hotel-Restaurant „Davidis“, in dem die Hotelgäste ohne größeren Aufwand essen können. „Davidis“, dieser Name wirkt wie ein Programm, denn er bezieht sich auf die legendäre Kochbuchautorin Henriette Davidis, die im 19. Jahrhundert in Dortmund und Umgebung wirkte. Sie verfasste vor über 150 Jahren ein wegweisendes Kochbuch, und wenn Köche aus dem Ruhrgebiet oder Westfalen auf ihre kulinarischen Wurzeln verweisen wollen, beziehen sie sich oft darauf. Auf der Speisekarte des „Davidis“ ist sogar eine kleine Biographie der alten Dame abgedruckt.

Sieht man sich doch die angebotenen Speisen an, ist man allerdings enttäuscht. Statt regionaler Kost findet man eine internationale Hotelküche wie Putenbruststeak mit Currysauce, Broccoli und Butterreis (16,50 Euro), Züricher Kalbsgeschnetzeltes mit Rösti (17,50 Euro) oder Rinderfiletspitzen Stroganoff mit Zwiebelrahmsauce und Butterspätzle (18,90 Euro). Darüberhinaus besteht die Möglichkeit, dass sich die Gäste Fleisch und Beilagen nach Gusto aus einer Liste selbst zusammenstellen können.

Als einzigen, vagen Tribut an die Region fand ich unter den Vorspeisen Reibekuchen mit Apfelmus (7,90 Euro, wahlweise mit Räucherlachs) und unter den Hauptgerichten Krüstchen nach Art des Hauses, d.h. panierte Schweinschnitzel auf Toast mit Rahmchampignons und Berner Sauce überbacken unter einem Spiegelei mit Beilagensalat (14,50 Euro). An den Reibekuchen war nichts zu beanstanden, nur irritierte mich eine etwas uninspiriert daneben liegende Portion Eichblattsalat. Die Krüstchen-Kreation jedoch erforderte schon einzigartigen Appetit, um sie zu verzehren. Die Berner Sauce, der Rahm der Champignons, das Gelbe vom Spiegelei, all das weichte den Toast und die Panade des Schnitzels so schwer und gründlich durch, dass man nichts mehr von irgendeiner leichten Knusprigkeit merkte. Und daneben lag wieder dieser dunkelgrüne Berg Eichblattsalat, optisch aufgepeppt durch viel zu große rote Radicchio-Blätter, die den Mund mit unangenehmer Bitterkeit füllten. Den Geist von Big Sascha Heitfeld, der in Gestalt eines überlebensgroßen Fotos des Starkochs in den Gastraum lugte, geschweige denn den von Old Henriette Davidis konnte ich hier leider nicht entdecken.

-kopf

Kreuzviertel, Lindemannstr. 88
https://hotel-dortmund.dorint.com/

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