Dortmunder Krüstchen "2010"
Hier war eine Zeche: Schachtzeichen über Dortmund
Nur hie und da war ein stecknadelkopfgroßer gelber Punkt über der Stadt zu sehen, und um 20 Uhr wurden die Ballons sowieso zur Nachtruhe eingeholt, gerade als die untergehende Sonne begann, den Himmel über dem westfälischen Ruhrgebiet in eine ganz besondere Atmosphäre zu tauchen. Gab es wirklich so wenige Zechen in Dortmund? Vielleicht hätte man besser alle untergegangenen Brauereien in der Do-City markieren sollen, dann hätte es einen Ballonzauber gegeben, der dem neuen immerhin leuchtenden „U“ kräftig Konkurrenz gemacht hätte.
Küchenchef Dennis Rother, Bergmann-Brauer Thomas Raphael und Restaurantleiter Dominik Schön präsentieren das Bergmann-Menü
Entschädigt für die mangelnden Ballons werden die Besucher des Turmrestaurants „Florians“ jedoch durch das Menü, mit dem Küchenchef Dennis Rother der Bergmann-Brauerei ein Denkmal setzt. Aus Anlass der „Schachtzeichen“ hat Dennis passend zu den verschiedenen Gebräuen des Hopfen-&-Malz-Newcomers mit Heimat-Appeal eine 4-gängige Folge von Ruhrgebietsgerichten plus Amuse Gueulle (69 Euro) kreiert, die den Genießer überzeugte: exklusiv die Zutaten, bodenständig die Rezepturen, kreativ die Präsentation auf dem Teller. Ein wenig ist Dennis die Quadratur des Kreises gelungen. An Zunge und Gaumen hatte der Genießer das Gefühl, bei Muttern zu sein, vom Teller-Erlebnis her jedoch in einem Gourmet-Tempel.
Als Gruß aus der Küche kam passend zum „Bergmann Starkbier mit Waldmeister“ gebackene Blutwurst mit Kompott vom Boskop-Apfel, ene raffinierte Variante von Himmel und Erde, bei der die Kartoffeln mit Pumpernickel ersetzt wurde.
Klassenbewusste Proleten hätten sich vielleicht an den Zutaten gestört, aus dem dann der erste Gang bestand. Das Dortmunder Krüstchen „2010“, das zum „Bergmann Spezial II“ gereicht wurde, stammte nämlich vom Iberico-Schwein, dazu gab‘s Pfifferlinge, Butterbrioche statt Toast, ein pochiertes Wachtelei statt Spiegelei vom Huhn und Trüffeln in Scheiben und als Schaum, alles kunstsinnig aufgetürmt. Sicher, ein Buntes Bentheimer Schwein wäre stilechter gewesen, aber die Gesamt-Komposition zeigte, wie fein und exklusiv bodenständige Küche sein kann.
Zum klassischen „Bergmann Export“ gab’s die Variation eines klassischen Fisch-in-Senfsauce-Gerichtes: zart gegarter Kabeljau mit Senfkruste an Limetten-Spitzkohl mit Kartoffelkrapfen. Da bedauerte der Genießer fast, dass das nur ein Gang von vielen im Menü war. Eine ordentliche Teller-Portion hätte ihm noch besser geschmeckt.
Aber dann hätte er auf das Kutschersteak à la „Florians“ verzichten müssen – was zu viel gewesen wäre, wäre zu viel gewesen. So ging das zarte Filet vom Jung-bullen mit Zwiebelmarmelade, knusprigen Grenaille-Kartoffeln, Biersauce und Spargel mit Sauce Hollandaise noch prima hinein. Angerichtet war der deftige Hauptgang wie eine feine japanische Sushi-Platte.
Ein gelungenes Experiment war dann der Nachtisch. Spargel zusammen mit Erdbeeren als süßes Dessert. Und das in drei Variationen: Klassisch die Erdbeeren mit grünem Pfeffer, über- raschend die karamellisierten Spargel- scheiben mit einfachem Eis und raffiniert die geschichteten Schäum- chen aus Erdbeeren und Spargel. Dazu passte die Bowle aus Bergmann Schwarzbier mit Erdbeeren.
Wer dieses Ruhrgebiets-Menü noch genießen möchte, sollte sich beeilen. Es wird nur bis zum 30. Mai serviert, solange die Aktion „Schachtzeichen“ noch läuft. Und an vielen Tagen ist das „Florians“ schon ausgebucht.
Anmeldung hier.
Zugegeben, ich war auch von den gelben Ballons etwas enttäuscht, da zu wenige sichtbar waren. Aber immerhin bleibt das gute Essen, was Du offensichtlich genossen hast.
AntwortenLöschenAlso die gelben Ballons angekuckt - mit Gourmet-Häppchen-Menü, mit "Bergmann Bier"...das sind natürlich alles wohlfeile Zitate, auf einer genüßlichen Distanz zum Püttalltag - zum Glück kann man da nur sagen, ein Spaß war das ja nicht unter Tage. Wurde aber natürlich schon damals verklärt, diese ganze "Der Steiger kommt Romantik". Ob auf diesem Humus noch viel wächst, hier und heute bei uns im POTT ? Wenns der Wirtschaftsförderung dient bitte: Wirte, Köche, Brauer, Saschas Promi-Steiger, schlachtet das aus, als Marketingfaktor. Und vielleicht gibts auch den Ruhris ein bißchen Heimatfeeling: "ey kuck ma, da war ne Zeche!" Hinterm Garten bei mir schwebt ja auch son Ballon. Heute soll der sogar beleuchtet werden. Lang lebe "Prinz von Preußen". Allerdings ohne Bergmann Bier, ich mach ´nen Südfranzosen dazu auf.
AntwortenLöschenLieber Genießer,
AntwortenLöschenleider kann ich erst heute kommentieren, da ich unterwegs war. „Klassenbewusste Proleten“ – hier fühle ich mich direkt von Dir angesprochen, vor allem nach unserer kurzen Diskussion im „Vincent & Paul“ in der letzten Woche.
Für mich ist es klar: „Klassenbewusste Proleten“ sind etwas Positives. Weil „Proleten“ für mich kein Schimpfwort ist. Es ist ein Ehrenwort. Weil es die Proleten waren, die das Ruhrgebiet erarbeitet haben, die dessen Identität gestiftet haben. Und „klassenbewusst“ macht stolz. Ja – ich bin bewusst für eine echte „Ess-Klasse“, für saubere Aufzucht und handwerkliche Produktion und deren Verwendung. Und wo immer nur machbar und möglich für gute Produkte aus der Region, die diesen Anforderungen genügen.
Mittlerweile kaum noch ertragbar, weil scheinbar wichtig fürs jeweilige Eigenmarketing, ist die ganze „Ruhr2010“-Profilierungs-Sucht. Was dort nicht alles als „Ruhrgebietsmenü“, als „Heimatessen“ … bezeichnet wird! Oder konkret: Kann man wirklich ein „Dortmunder Krüstchen“ mit Fleisch von einem Iberico-Schwein als „exklusiv bodenständige Küche“ ansehen? Und woher die „Blutwurst“ beim „Gruß aus der Küche“ kommt, ist auch vom Bild her nicht erkennbar.
Kann man hier nicht nur mal einfach sagen „Schwein …aus … mit …“ ohne „Revier“ und „Ruhr2010“, ohne „Heimat“. Und wenn es dann noch gut ist, einfach nur gut finden?
Wenn man immer wieder „gute“ Produkte (und das „gut“ ist ehrlich für diese Produkte gemeint) aus nichtregionaler Herkunft positiv bespricht, spricht man dann nicht unseren eigenen guten lokalen Produkten und deren Produzenten eine – vorsichtig formuliert und wahrscheinlich sogar nicht beabsichtigt – Qualität ab?
Und was mich sehr interessiert: Was sagt eigentlich der Koch des „Turmrestaurants“, wenn man ihn fragt, warum er das Iberico-Schwein und nicht das Bunte Bentheimer, das Schwein der Bergarbeiterfrauen (auch aus Dortmund) zu seinem „Ruhrgebiets-Menu“ verwendet?
Glück Auf, der Steiger kommt … nicht, aber er hat sich voller Grauen im Grabe umgedreht.
@ Manfred Weniger: Lieber Manfred, beim "klassenbewussten Proleten" habe ich nicht an Dich gedacht, sondern an Leute, die Iberico-Schwein und Trüffeln ablehnen, weil es für "arme Proleten" zu teuer ist. An Dich habe ich gedacht, als ich ich das Bunte Bentheimer anstelle des Iberico-Schweins angemahnt habe. Wo die Zutaten der Gerichte herkommen, lässt sich wohl ganz einfach sagen: von den einschlägigen Großhändlern.
AntwortenLöschenIch habe übrigens meinen Papa, den alten Steiger, gefragt, ob er sich im Grab umgedreht hat. Hat er nicht. Er hat sich nur gewundert, dass ich überhaupt in solchen Lokalen Essen gehe (und nicht was Anständiges tue).
Support your local talent - auch in der Küche!
Liebe Grüße
Der Genießer
@ manfred: ja , ja viel fordern, aber wenn es um das eigne Geld geht dann sieht es anders aus, warum Rotbarben aus wer weiss wo her, Vongole aus Italien, Pulpo aus Spanien, Nudeln aus Italien und Limousinrind aus ..(steht nicht dabei) verkaufen und hier eine lokale Kulinarik einfordern. Da siegt das Geld über die Ideologie.
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