Der Text erschien erstmalig in "Bochum geht aus 2012"
Mein Gott, brummt dieser Laden! Wir haben Donnerstagabend, und es ist ein ständiges Kommen und Gehen, so dass die Bedienungen kaum Atem schöpfen können. Hotelgäste, Damenkränzchen, Ehepaare aus der Nachbarschaft gehen in den verwinkelten Gasträumen ein und aus, und vorn an der Theke erfüllt das Hotel-Restaurant Eggers auch noch die den Zweck als Dorfkneipe. In der Hektik fällt kaum auf, dass plötzlich meine Tischdekoration, eine elegante Rose mit allerlei Trockengrün, an der heruntergebrannten Kerze Feuer fängt und von meinem Tischnachbarn durch beherztes Darüberwerfen einer Serviette gelöscht wird. Das angekokelte Ding wird kurzerhand entfernt und weiter geht’s - business as usual.
Dirk Eggers hat es wie kein anderer im Ennepe-Ruhr-Kreis geschafft, die rustikale Bodenständigkeit der Region in kulinarische Höhen der Gourmet-Küche zu integrieren. Deutlich wird das in seinem Klassiker „Paella des Bergmanns“ (15 Euro), bei der er deftigen Grünkohl mit so ausgesuchten Köstlichkeiten wie Mettwurst, Speck, gebackenen Kalbfleischklößchen, gepökelter Schweinebacke, Gänsebratwurst und Blutwurst garniert – den süßen Senf-Dipp nicht zu vergessen.
Gelernt hat Dirk Eggers sein Handwerk im Hattinger Haus Kemnade und arbeitete dann im Goldschmieding in Castrop-Rauxel, um sich den Feinschliff u.a. bei Jean-Claude Bourgeuil im Kaiserswerther Schiffchen zu holen. 2012 kann er mit seinem Hotel-Restaurant in Sprockhövel sein 15-jähriges Jubliäum feiern. Seit 1999 hat er sogar die Weihen des Guide Michelin, den „Bib Gourmand“ für ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis.
„Auf gut Deutsch“ ist das Motto seiner Küche, was aber nicht heißt, dass er nicht über den Tellerrand hinausblickt. Zum Entree, zwei Scheiben selbst gebackenes Brot, wurden mir beim Testbesuch neben einem Stück mit Grünkohl verfeinerter Mettwurst, Gänseschmalz und Kräutersalz auch mit Kreuzkümmel aromatisiertes Öl gereicht – ein Gruß an die aus Deutschland und besonders dem Ruhrgebiet nicht mehr wegzudenkende türkische Küche. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 war Dirk Eggers Mitbegründer der Köchegruppe „ReVier“, für die er leider kaum noch Zeit hat, und seit neustem ist er auch Mitglied des Vereins „Westfälisch genießen“. So kommt es, dass er neben 120 anderen Postionen auch die exklusive Cuvée Roter bzw, Weißer Westfale des Pfälzer Weingut Bürklin-Wolf führt. Überhaupt macht er sich für den Wein in der Region stark und legte im vorigen Jahr den ersten Weingarten in EN an. Die dort wachsenden Tafeltrauben kommen natürlich in der Küche zum Einsatz.
Als Vorspeise hatte ich aus dem saisonalen Gänsemenü die Praline aus der Gänseleber (10 Euro) gewählt, eine wunderbar zarte Pastete, die in Pumpernickelbröseln gewälzt war und fast wie ein Schokoladenmousse-Trüffel aussah und schmeckte. Die Süße dieser Preziöse wurde durch ein Gelee aus Trauben aus eigenem Anbau konterkariert. Dazu gab‘s süßlich aromatisierte Kürbiskügelchen und in einer extra Schale winterlichen Rapunzelsalat mit einem warmen, vielleicht etwas zu schweren Speckdressing.
Geradezu sternverdächtig war dann das Hauptgericht: In Altbier und Senfsaat glacierte Schweinebacke auf dicken Bohnen in Thymian und dicken Bratkartoffeln (16 Euro). Butterzartes Fleisch, bei dem jede Faser auf der Zunge zerschmolz, dazu die pikante Aromatisierung mit Bier und Senf – einfach einzigartig. Und dazu die samtweichen dicken Bohnen, leicht säuerlich und gelegentlich von einem knusprigen Crouton begleitet. Denn Streit, ob man die dicken Bohnen nun mit oder ohne innere Pelle serviert, umging Dirk Eggers, indem er einfach so zarte junge Kerne einsetzte, bei denen die Pelle einfach nicht störte. Den Genuss wäre geradzu perfekt gewesen, wenn die Bratkartoffeln etwas weicher gewesen wären. Die krosse Kruste der dicken Dinger löste sich von einem Kern, den man leider nicht mit der Gabel zu einem idealen Saucenträger zerdrücken konnte, sondern dem man mit den Messer zu Leibe rücken musste.
Als Nachtisch bot Dirk Eggers eine Dreier-Variation von Schokolade und Öl an (9 Euro), deren Bestandteile auch einzeln zu bestellen waren. Da ich ahnte, dass so ein Drittel als Dessert völlig reichen würde, bestellte ich die Terrine von Vollmilchschokolade im Baumkuchenmantel mit Muskatnuss (3,50 Euro) und wurde voll bestätigt. Die drei dicken Scheiben waren wie ein Spiegelbild der Gänseleber-Praline der Vorspeise: zart, süß und betörend. Geradezu pfiffig war, wie das Walnussöl dazu gereicht wurde. Es befand sich in einer kleinen Pipette, wie sie Feinmechaniker bei ihrem diffizielen Handwerk beim Ölen benutzen, und konnte je nach Geschmack über die Schokoladenterrine geträufelt werden. Sie war natürlich schneller alle gedacht, so wohlschmeckend war der Inhalt.
-kopf
Hauptstraße 78, 45549 Sprockhövel. Tel. 02324-71780. Do-Mo 11:30 - 23.00 Uhr, Küche 12:00 - 14:00 Uhr & 18:00 - 21:00 Uhr. https://www.eggers-sprockhoevel.de/
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