Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2012".
Eines der bestgehüteten Dokumente im Archiv des Essener Gastronomen Hans-Hubert Imhoff ist ein altes Schriftstück, in dem die Stadt Essen garantiert, dass der Blick von der Terrasse des Parkhaus Hügel auf den Baldeneysee nicht durch große Bäume und Büsche zugepflanzt wird. Denn dieser elegische Blick über die Freiherr-vom-Stein-Straße hinweg aufs Wasser ist einer der Gründe, weshalb hier bei gutem Wetter so etwas wie Thomas-Mann-Atmosphäre herrscht. Hier, mitten im Herzen des Ruhrgebiets, kommt man sich vor wie am Vierwaldstätter See, wenn bei entsprechendem Wetter die formvollendeten Servicekräfte mit geradezu Schweizer Gastronomie-Professionalität die Küche von Suvad Memovic servieren. Nur die Berge sind nicht so hoch. Hans-Hubert Imhoff konnte in diesem Jahr etwas verspätet das 55. Jubiläum des Parkhaus Hügel feiern, doch die Beziehung der Familie Imhoff zu der gediegenen Restauration zu Füßen der Villa Hügel ist noch älter. Bereits in den 1920er Jahren belieferte sein Vater Hubert Imhoff als Konditor die damalige „Hügelgaststätte“ mit Kuchen, bis er sie 1955 schließlich pachtet. Als „Parkhaus Hügel“ entwickelte sich zur eleganten Stube des Essener Bürgertums, und die internationalen Staatsgäste, die die den Krupp-Stammsitz besuchten, wurden hierher zum Essen geführt. Hans-Hubert Imhoff konnte das Haus 2004 schließlich kaufen. Mittlerweile ist es zum Stammsitz eines kleinen Gastronomie-Imperiums mit weiteren Häusern in Essen, Duisburg, Mülheim und Oberhausen geworden.
Seit etwas mehr als anderthalb Jahren kocht Suvad Memovic im Parkhaus Hügel. Lange Zeit hat der gebürtige Dortmunder mit dem 2-Sterne-Koch Thomas Bühner zusammen gearbeitet, und es ist ihm gelungen, die im Lauf der Jahrzehnte etwas betulich gewordene Küche des Hauses behutsam zu modernisieren. Die gutbürgerlichen Klassiker haben nun Sterne-Chic. So wird etwa in der Speisekarten-Rubrik „Klassische Gerichte neu interpretiert“ der Westfälische Sauerbraten als „sauermariniertes Rinderfilet mit Spitzkohl, Apfelgelee und Apfelwürfel, Kartoffelklößchen und Rosmarinjus (24 Euro) angeboten. Aber auch hinter den unprätentiösen Bezeichnungen der anderen Gerichte verbergen sich kulinarische Pretiosen: Rote Bete-Essenz mit luftgetrocknetem Rindfleisch, Kohl und Sauerrahm (9 Euro), Teriyaki mariniertes Wagyu Rind mit Enoki-Pilzen, Zuckerschoten, Basmatireis und Kokos-Chilisud (27 Euro) oder Bäckchen und Filet vom Kalb mit Urkarotten, Kräuterseitlingen, cremigem Kartoffelpüree und Rucolaschaum (26 Euro).
Lohnenswert ist es, wenn ein Aktionsmenü wie beim Restaurantkarussell auf dem Programm steht. Da wird ein günstiger Streifzug durch Küche und Weinkeller des Hauses geboten und ein viergängiges Menü schnell zu einem kleinen Festmahl, denn bei fast jeder Gang besteht aus zwei verschiedenen Haupt-Komponenten. Beim Testmenü (46 Euro inkl. Wein) machten herrliches, hausgebackenes Brot und ein kleines schaumiges Kürbissüppchen als Amuse gueulle den Entree. Der erste Gang war Suvad Memovics fantasievolle Antwort auf den Italo-Klassiker „Vitello Tonnato“: für rosa Kalbsrücken und mit gegrilltem Thunfisch und Parmesaneis richtete er die einzelnen Bestandteile völlig neu mit einem Salat aus essbaren Blüten an. Wären doch nur die Thunfischstückchen größer gewesen! Köstlich war der Suppengang. Eine Consommé vom Fasan mit wilder Feige und eine Maronenschaumsuppe wurden in hohen, Schnapspinnchen ähnlichen Gläsern serviert, garniert mit winzigen Miniaturstückchen vom Fasan auf kleinen Spießchen und Zuckerstäbchen. Das war sehr hübsch anzusehen und schmeckte auch, war aber aus den hohen schmalen Gläschen schwierig auszulöffeln (und zum Kippen viel zu schade). Zum genussvollen Satt-Essen war dann der Fleischgang, ein zart gegartes Entrecôte vom Hohenloher Rind mit Arganöl, geschmortem Chicoree und einem Kalbsbäckchencannelloni mit Datteljus und Kichererbsenspüree, das mit Orange parfümiert war. Als Dessert gab es schließlich eine Mango-Currymouse mit eingelegter Ananas und Bananensorbet. Die Weine waren gut ausgesucht und ergänzten die Gänge harmonisch, ohne groß herauszufordern: 2009 Forster Ungeheuer von Dr. Deinhard in der Pfalz, 2008 Shiraz Vi de La Terra vom Castell Miquel auf Mallorca und eine süße 2006er Riesling Auslese von Losen-Bockstanz an der Mosel.
-kopf
45133 Essen-Bredeney, Freiherr-vom-Stein-Straße 209
Fon 0201. 47 10 91
https://www.parkhaus-huegel.de/
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