Montag, 21. November 2011

Aus dem Archiv: Orangerie im Stadtpark - Wahrheit und Klarheit

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2012"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Michael Hau ist schon seit  längerer Zeit Küchenschef im "Parkhaus Hügel" in Essen.


Seit 130 Jahren ist die Gastronomie im Bochumer Stadtpark die gute Stube der Stadt. Die feierlustigen Bochumer nutzen von jeher die die prächtigen Räumlichkeiten des wilhelminischen, unter Denkmalschutz stehenden Baus für Festivitäten aller Art, und kaum einer hat hier nicht schon einmal einen Geburtstag oder eine Hochzeit miterlebt. Heute finden in den modern ausgestatteten Sälen Tagungen aller Art statt. Seit 2007 betreiben die Marriott Hotels im Ruhrgebiet hier ein Kongresszentrum. Aushängeschild ist das Gourmetrestaurant Orangerie.

Mit Michael Hau hat die Orangerie seit 2009 einen versierten Fachmann als Küchenchef, der das ehrgeizige Ziel stemmen kann, aus dem Restaurant wieder eine führende kulinarische Adresse im Ruhrgebiet zu machen, die an die historischen Erfolge des einstigen „Parkrestaurants“ anschließen kann. Schließlich war der 49-Jährige im Lauf seiner Karriere an den Michelin-Sternen der Restaurants „Gasthof Adler“ in Asperg, „Öxles Löwen“ in Stuttgart und „Landhaus Nösse“ auf Sylt in verschiedenen Küchen-Positionen mitbeteiligt. Bereits im ersten Jahr seines Wirkens konnte er für die Orangerie 14 Punkte im renommierten Restaurantführer Gault-Millau verbuchen, was durchaus einem Michelin-Stern entspricht. Bei aller Raffinesse bei der Zubereitung und bei allem Chic beim Arrangement auf dem Teller ist Haus Küche jedoch unprätentiös und solide. Sein Motto ist „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. „Ich koche, was ich von der Pieke auf gelernt habe und auch wirklich beherrsche: eine verständliche Küche mit Fokus auf die Naturbelassenheit der verwendeten Produkte“, sagt er bescheiden. „Wir wollen unseren Gästen in erster Linie gutes Essen in guter Qualität bieten, das sie gerne mögen.“ Auf der Haut gebratenes Wolfsbarschfilet mit Currypüree mit glasierten Aprikosen, grünem Pfeffer und Zuckerschoten (29 Euro) oder Hirschkalbsmedaillon mit Hokkaidokürbis, Anisrotkraut im Strudelteig und Quittenjus (26 Euro) sind Beispiele seine Kreationen.

Eine gute Gelegenheit, die Leistungen der Küche kennen zu lernen, ist der Besuch einer Menüveranstaltung, die die Orangerie in gewissen Abständen veranstaltet. Beim Testbesuch war in der Reihe „Wein & Menü“ der badische Winzer Ulrich Klumpp vom gleichnamigen Öko-Weingut im Kraichgau zu Gast, der seine Editions-Weine vorstellte. Michael Hau kreierte dazu ein fünfgängiges Menü (85 Euro inkl. Wein), das einmal mehr bewies, welches Potential in der Orangerie steckt.

Als schmeichelndes Amuse Bouche überzeugten Zweierlei von Paprika, geräucherter Saibling auf Kartoffel-Blini und Tomatenmousse – Mini-Häppchen, die viel zu schnell weg waren. Dann gab es den ersten Gang: Tatar vom Kaisergranat (Ausrutscher Nr. 1 des Menüs: leider etwas fischig) auf einem feinen Zucchini-Karottenbiskuit und einem ebenso feinen Jakobsmuschelbeignet mit Limonenpesto und Ingwergelee mit dem fruchtbetonten 2010er Weißburgunder Edition.

Anschließend wurde eine klare Weinkrautsuppe mit einer schön deftigen Blutwurstravioli vom kräftigeren 2010er Grauen Burgunder Edition begleitet.

Die beiden gebratenen Wachtelbrüste mit –spiegelei mit Rotweinbutter waren zusammen mit dem 2009er Spätburgunder Edition mein Favorit des Abends. Der Apfel-Wirsing hätte aromatischer sein können.

Der mit einem weihnachtlich gewürzten Krokant überbackene Rehrücken mit Kompott von Trockenaprikosen, Rosinen und Chili mit Vanilleschupfnudeln und Shii Take-Pilzpudding (Ausrutscher Nr. 2: etwas muffig) war Hintergrund für ein Weinexperiment. Der Gang diente als Folie für den geschmeidigen, nach kalifornischem Vorbild gekelterten 2009er St. Laurent Bruchsaler Eichholz Premium und die französisch inspirierte 2010 Cuvée No. 1 Barrique Edition, die jedoch noch etwas jung und unausgeglichen daher kam.

Zum Dessert fand ein im Frühlingsrollenteig gebackenes weißes Schokoladenparfait mit Quittenkompott und Balsamicomousse ein fruchtiges Pendant im edelsüßen 2009er Gewürztraminer Edition.
-kopf

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