Montag, 21. November 2011

Aus dem Archiv: Matzen - Wie bei jiddische Mama

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2012"
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Ein gewisses Gefühl der Erhabenheit überkommt einen schon, wenn man die Treppe am Erich-Mendel-Platz zu der 2007 eröffneten Synagoge der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen empor steigt. Der eigentliche Eingang des modernen Sakralbaus wird von einer Pförtnerloge gesichert, doch rechter Hand lockt das kleine jüdische Restaurant Matzen, das nach dem ungesäuerten Brot benannt ist. Hinter der nicht weniger modernen Glasfront geht es richtig gemütlich zu. Seit neustem gibt es einen Mittagstisch, nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen, und abends kann man wieder Gerichte der jüdischen Küche bestellen. Montags ist zu, aber auch freitags - da ist Schabath.

Im Sommer 2010 konnte der Plan verwirklicht werden, im Gebäude der Synagoge ein jüdisches Restaurant zu eröffnen. „Das ging vor allem durch die Unterstützung des Gastronomie-Großhandels Niggemann und der Brauerei Fiege“, meint Aleksander Chraga, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde. Auf die Frage, ob die Gerichte koscher seien, ist er ein wenig zurückhaltend. „Was wir machen, ist ‚kosher style‘, eine einfachere Form“, erklärt er. Die Zutaten sind koscher und auch nach den Kaschrut-Regeln gekocht. Das ist schon für das beim Catering für die Veranstaltungen in der Synagoge notwendig. Doch dem Gast bleibt es überlassen, die Gerichte so zu wählen, dass seine Mahlzeit auch wirklich koscher ist.

Letztendlich bedeutet koscher nicht, dass das Essen auch wirklich gut ist, sondern nur, dass die religiösen Regeln eingehalten wurden. Doch wer wie Küchenchef Dimitri Markmann Gerichte nach so komplizierten Vorschriften herstellen will, muss schon alles frisch und selbst kochen. Nur so weiß man schließlich, was drin ist. Das Fleisch, das im Matzen verarbeitet wird, hat durchaus Bio-Qualität, kann aber nicht regionalen Ursprungs sein. Denn in Deutschland darf aus Tierschutzgründen nicht so geschlachtet werden, wie es die Regeln vorschreiben.

Gefilte Fisch, Bagel mit Lachs, Fluden, Pulka, Hummus, Tabouleh, die kleine Karte umfasst traditionelle jüdische Gerichte aus Osteuropa, New York und Israel. Überraschungen kann man dabei durchaus erleben. Wer bei Gefilte Fisch mit Kräutern gefüllte Forellen oder Doraden erwartet, sollte sich nicht über die leichten Frischfrikadellen wundern, die er dann serviert bekommt. Als Hauptgang werden sie „wie bei jiddische Mama“ mit Kartoffeln und gebratenem Gemüse (11,80 Euro) angeboten, als Vorspeise mit Meerettichsauce und Rote Bete-Walnuss-Pflaumensalat (5,80 Euro). Noch kurioser erscheint dem Unkundigen das Schnitzel Kiewer Art. Dabei handelt es sich mitnichten um eine Tranche Kalb- oder gar Schweinefleisch, sondern um Hähnchenfleisch, das mit einer Kräuterfüllung versehen, paniert und gebraten wird. Dazu gibt es im Matzen Kirschsauce, Röstkartoffeln und gebratenes Gemüse (9,70 Euro).

Ich erinnere mich noch gut an kleines Menü, das ich mir vor einiger Zeit von der Standardkarte zusammengestellte. Zur Einstimmung bekam ich selbstgebackene Brötchen und Matzen mit einer feinen Sesam-Kichererbsen-Crème. Borschtsch (3,50 Euro), die klassische russische und polnische Rote-Bete-Suppe, war optisch wie geschmacklich ein Genuss. Von tiefroter Farbe, mit Weißkohl und Kartoffeln als Einlage, brachte sie den Geschmack des Gemüses zum Ausdruck und bekam durch die Beigabe von Dill eine wunderbare Frische und Leichtigkeit. Zum Hauptgang gab es Jarkoje (13,90 Euro), eine Art Rindergulasch. Das Fleisch war sorgfältig von Fett und allen Sehnen befreit und dann endlos lange geschmort worden, bis es die Bezeichnung „löffelweich“ redlich verdient hatte. Der fantastische, leicht süßliche Geschmack rührte von den Backpflaumen her, die mit geschmort wurden, bis sie aufgelöst waren. Als Beilagen gab es Auberginen und geröstete Kartoffeln. Zum Dessert folgte ein üppiges Stück Lekach, ein jüdischer Honigkuchen, selbstverständlich selbstgebacken.

Seit Anfang November ist die Tageskarte des Matzen um zahlreiche wechselnde Angebote erweitert worden. So entdeckte ich neulich darauf Tshanachi, einen Eintopf aus Rindfleisch (eigentlich Hammel), Bohnen, Tomaten, Kartoffeln und Auberginen aus Georgien. Es handelt sich dabei um ein typisches Schabath-Gericht. Am siebten Tag darf nicht gearbeitet werden, auch nicht gekocht. Deshalb wird der Eintopf schon am Tag vorher in den heißen Ofen getan oder unter die Bettdecke, so dass das Gericht an Schabath fertig ist.

-kopf

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