Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2012".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Im Bistro befindet sich heute (2024) das ialienische Restaurant "Fratelli".
Im März 2012 wird vieles anders im Julius. Das Weinrestaurant in der Herner Innenstadt wird Vollrestaurant, erweitert um ein Bistro, das täglich geöffnet hat. Allerlei Tapas wird es dann geben, spanische natürlich, aber auch Französisches und Westfälisches. Im Café-Bereich wird die Tradition der alten Herner Konditorei Funke wieder aufleben. Und natürlich werden die bislang zweimal im Monat stattfindenden Menüabende, die das Julius in den letzten Jahren einzigartig in der Gastrolandschaft des Ruhrgebiets gemacht haben, weiter fortgesetzt. Und das, obwohl Patron Hartmut „Julius“ Meimberg eigentlich kürzer treten will. Mit 60 kann man darüber schon mal nachdenken.
So hat der kochende Weinhändler die Weichen für die Zukunft gestellt. In der vierten Generation führt er die Herner Firma Julius Meimberg und hat in den letzten 25 Jahren aus der ehemaligen Brennerei eine der profilierteste Weinfachhandlung im Ruhrgebiet gemacht. In den alten Produktionsräumlichkeiten im großbürgerlichen Eckhaus Bahnhof-/Viktor-Reuter-Straße hat er 1988 dazu das Weinrestaurant Julius eingerichtet. Für beide Bereiche sind jetzt Nachfolger bzw. Partner gefunden. Doch vollständig zurückziehen wird Meimberg sich nicht. Dazu ist er viel zu sehr mit seinem Betrieb verwurzelt und mit voller Leidenschaft bei der Sache. So hat er, damit die Gerichte, die dort serviert werden, auch wirklich zu dem individuellen Weinangebot der Weinhandlung passen, kurzerhand das Kochen gelernt und im renommierten Club der kochenden Männer e.V. den Grand-Maître de Chuchi gemacht. Das Ergebnis: Heute kocht der einstige Amateur in der Köchegruppe „ReVier“ mit den Ruhrgebietsspitzenköchen Mario Kalweit (Dortmund), Stefan Manier (Waltrop) und Dirk Eggers (Sprockhövel) zusammen. Das Quartett hat Meimberg im Kulturhauptstadtjahr 2010 ins Leben gerufen, um der Ruhrgebietsküche neuen Drive zu geben.
Was er darunter versteht, kann man den ReVier-Menüabenden erleben, die mehrmals im Jahr neben den klassischen Weinmenüs mit italienischer und französischer Küche stattfinden. Dann zelebriert er eine kreative Ruhrgebietsküche, die tief im Westfälischen verwurzelt ist, aber die Einflüsse der Arbeitsimmigranten, die das Revier so nachhaltig prägen, aufgenommen hat. Beim Testbesuch Mitte November servierte er einen Reigen von acht herbstlichen „Ruhrgebiets-Tapas“ (65 Euro inkl. Weinbegleitung), die mit allerlei Kücheneinflüssen und Aromen spielten.
Auf eine „Westfälische Pizza“ aus Kartoffelteig mit Schmand und Mettwurst folgte eine Terrine, in der er normale und lila Kartoffeln mit weißer Schokolade zu einer überraschenden Einheit verband. Darauf wurde eine geräucherte Makrele von Schäumen aus grünem Senf und frischem Meerettich umspült. Dann gab es moderne Interpretationen der westfälischen Henriette-Davidis-Klassiker Spanisch Fricco (ein Kartoffelauflauf mit Iberico-Schwein) und Blindhuhn (kein Geflügel, sondern ein Bohneneintopf mit prickelnder Chorizo). Die Granate schlechthin war der Bratapfel, der mit Blutwurst, Pumpernickel und Haselnüssen gefüllt und auf einem Saucenspiegel aus dem exklusiven ReVier-Senf der Schwerter Senfmühle angerichtet war. Nach diesen Ouvertüren folgte als Hauptgang ein Schweinefilet im Brotmantel, dessen Teig nach dem Rezept des westfälischen Kastenpickert angerichtet war. Den Nachtisch bildete schließlich ein Apfel-Tiramisu. Sitzfleisch musste man schon mitbringen, um diesen fünfstündigen Aromenmarathon bewältigen zu können, aber jeder Gang war diese Anstrengung wert.
Zur Erleichterung wurden zudem alle Gerichte selbstverständlich
von sorgfältig ausgewählten Weinen aus den Kellern der Weinhandlung begleitet.
Neben Spitzentropfen aus Spanien, Österreich, der Pfalz und von der Mosel waren
auch zwei dabei, die Meimberg exklusiv unter dem ReVier-Label abfüllen lässt:
ein Riesling Sekt brut als Aperitif und ein Rheinhessen Riesling trocken. Und
als Digestif gab es zum Abschluss u.a. zwei Schnäpse, die Meimberg immer noch
nach den traditionellen Rezepte des Hauses produzieren lässt: den sechs Jahre
im Weinbrandfass gelagerten Korn Sternalten und den Halbbitter Förderturm.
-kopf
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