Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2012".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Landgericht, Amtsgericht, Landessozialgericht, Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium - wundert es bei dieser Nachbarschaft, wenn Igor Albanese für sein Restaurant Leonardo mit dem Slogan „Mittagstisch mit Richtern und Anwälten“ wirbt? In der Tat ist das in rustikal-elegantem Weiß gehaltene Bistro zur Mittagszeit von Herren mit gelockertem Schlips und Damen in businessmäßigen Hosenanzügen gut besucht, die sich bei deftiger und erstaunlich preiswerter Hausmannskost für die nachmittäglichen Kämpfen vor den Schranken der Justiz rüsten. Aber auch Rüttenscheider Künstlervolk und andere Paradiesvögel schneien herein.
Beim Testbesuch sah die täglich wechselnde Mittagskarte eine deftige Scheibe Leberkäse mit Spiegelei auf Bratkartoffeln, Matjes mit Zwiebeln und Salzkartoffeln und eine ordentliche Portion Kassler (alles 6 Euro) vor, die von in elegante Bistroschürzen gehüllten Bedienungen serviert wurden. Das ging fix, und während der kurzen Mittagszeit waren manche Plätze sogar zweimal besetzt. Nach etwa einer Stunde war der Leberkäse alle und wurde von der Mittagskarte gestrichen.
Frittierte Teigkugeln mit Curryfüllung
Bei der Kalbsleber in Salbeibutter (14 Euro), die ich mir bestellt hatte, war es anscheinend etwas zu fix gegangen. Fast flüssig kam die Leber daher; die Salbeiblätter waren zum Teil schwarz gebrutzelt und verbreiteten eher Bitterkeit als mediterrane Aromatik, doch die Linguine mit den angebratenen Cocktailtomaten als Beilage hoben das wieder auf. Zumal ich mir vorher noch von der Standardkarte die Indischen Currybällchen (6 Euro) bestellt hatte, zwei vegetarische frittierte Teigkugeln mit herzhafter Curryfüllung und Asia-Sauce, die den Appetit mächtig anregten. Das Schokoladen-Trüffel-Soufflée (9,50 Euro), ich als Dessert haben wollte, gab es erst am Abend. Für die Mittagszeit sei es zu aufwendig herzustellen, sagte die Kellnerin. So musste ich mit einem hausgemachten Tirami Su (6,50 Euro) vorlieb nehmen, das aber ganz lecker war.
Mit coolen Adleraugen beobachtete Igor Albanese das quirlige Treiben in seinem Laden, begrüßte charmant die Gäste, führte sie zu Tisch und kümmerte sich um jeden und alles. Dabei ist der Kroate vielmehr als nur Patron eines Restaurants. Er organisiert Musikveranstaltungen, setzt sich für die Neugestaltung des Haumannplatzes vor der Haustür des Leonardo ein - und importiert Olivenöl und Trüffel aus seiner istrischen Heimat. So kommt es, dass er in einer Spezialitäten das Beste der mediterranen und Ruhrgebietsküche kombiniert hat: Pasta mit Currywurst und Trüffelöl (8,50 Euro). Abends, wenn die Mittagsangebote von der Tafel gewischt und von schönen mediterranen Fleisch- und Fischangeboten ersetzt worden sind, bei denen diese istrischen Spezialitäten zum Einsatz kommen, speist hier, so die Werbung des Leonardo, ein „erlesenes, gemischtes Publikum“.
-kopf
Zweigertstraße 55, 45130 Essen
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