Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2012".
In dieser Form gibt es das Restaurant nicht mehr. Seit 2013 residiert die "kochBar essBar" als Kochschule im Schloss Schellenberg.Wie sinnvoll Gebäude, die ursprünglich als Autoladen konzipiert wurden, auch für kulinarische Belange genutzt werden können, zeigt das Haus Alfredstr. 99 in Rüttenscheid, in dem schon seit längerer Zeit wechselnde Restaurants untergebracht sind. Seit neustem beherbergt das Ladenlokal mit der breiten Fensterfront und dem praktischen Parkplatz die „kochBar essBar“. Statt wie einst um CO2-Schleudern, geht es jetzt in der beeindruckend elegant designten Location um Genuss von qualitativ hochstehenden, nachhaltig produzierten regionalen Lebensmitteln und die Aufklärung darüber. In erster Linie ist die „kochBar essbar“ ein Restaurant, darüber hinaus finden in einer Showküche Kochevents aller Art statt, Kochkurse, Degustationen, Firmenveranstaltungen. Ergänzt wird das Ganze durch einen Shop, in dem handwerklich und regional erzeugte Produkte angeboten werden. Davon gibt es in der Industrieregion Ruhrgebiet mehr, als man denkt. Betreiberin dieses ganzheitlichen, von Slow Food beeinflussten Projekts ist Sonja Beselin mit ihrer Agentur Mobilee, die das Konzept bereits auf Zollverein ausprobierte. Doch da war letztendlich viel zu wenig Platz. „Und im Kulturhauptstadtjahr war eine Massenverköstigung angesagt, die gar nicht unser Anliegen ist“, erklärt Sonja Beselin. Da war sie froh, im Herzen von Rüttenscheid eine passende Location zu finden.
Gekocht wird in der „kochBar essBar“ nur mit hochwertigen, meist Bio-Produkten, die fairerweise ihren Preis haben. Hauptgänge wie Bachsaibling mit Mandelschaum und Rote Bete, Rehrücken mit Rotkohl, Maronen, Pastinaken und Johannisbeergelee oder Wolfsbarsch mit Wirsing-Risotto und schwarzem Öl kosten zwischen 25 und 30 Euro. Preiswert ist hingegen der Mittagstisch mit dem Namen Smart Food, der hübsche Gerichte zwischen 6 und 14 Euro umfasst, die dank ihrer ausgesuchten Zutaten entweder schön (Beauty Food), schlau (Brain Food) oder gutgelaunt (Mood Food) machen.
Das Konzept der „kochbar essbar“ wurde bestens durch das Aktions-Menü (35 Euro) illustriert, das im Rahmen der „Geschmackstage 2011“ angeboten wurde. Leider ging diese Initiative des Bundes-Verbraucherministeriums am Ruhrgebiet weitgehend vorbei, doch die „kochBar essBar“ nutzte sie zur Zusammenarbeit mit dem Bio-Vertrieb „Flotte Karotte“. Den formvollendeten holländischen Kellner, der mit sonorer Stimme und rollendem Rudi-Carrell-R besonders die weibliche Kundschaft becircte, beim Servieren zu beobachten, machte genauso viel Spaß wie das Menü selbst. Zuerst brachte er im Haus gebackenes Brot, dass man sowohl in Olivenöl, Balsamico und Meersalz tauchen als auch mit dreierlei Butter (mit schwarzem Grubensalz gewürzt, mit Jordan-Olivenöl vermischt und mit einer Tomatenzubereitung) bestreichen konnte. Als Amuse bouche kam dann noch ein à point gebratenes Stückchen Wolfsbarsch auf Kräuterpesto und einem Rote-Bete-Chip. Der erste Gang war ein Kürbissüppchen, ganz saisonal und schön sahnig. Eine Geschmacksexplosion bot das nun folgende Türmchen aus Wildkräutersalat, das mit zwei Nocken Ziegenfrischkäse vom Dorstener Hof Sondermann ergänzt war. Ganz regional gab sich schließlich der Hauptgang, der wie ein abstraktes Gemälde auf einem schmalen rechteckigen Teller angerichtet war: Lammrücken aus Kettwig, schön rosa und butterzart. Dazu gab es verwegen „Ratatouille“ genanntes Gemüse: schmale Miniatur-Streifen von in der Pfanne geschwenkten Paprika und Zucchini, zu einem grafischen Streifenmuster arrangiert. Auch die Kartoffeln boten einen avantgardistischen Anblick: ca. vier Millimeter große Würfelchen, die trotz ihrer Kleinheit perfekt geröstet waren. Das lapidar als „Tarte Tatin“ angekündigte Dessert war eine ebenso kreative Dekonstruktion des französischen Obstkuchen-Klassikers. Ein luftiger Teig und köstliche Apfelscheiben waren auf dem Teller futuristisch arrangiert, mundeten aber wie bei den namensgebenden Schwestern Tatin.
-kopf
45131 Essen-Rüttenscheid, Alfredstraße 99
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