Montag, 13. August 2012

Aus dem Archiv: Ange d’Or Junior - Mehr Zärtlichkeit für die Jacobsmuschel!

 Der Artikel erschien erstmalig in "Essen geht aus 2013".

Wenn das „Ange d’Or Junior“ auf Sylt wäre, hieße es vermutlich „Sansibar“ und wäre eine Goldgrube. So liegt es aber im idyllischen Ruhrtal zwischen Werden und Kettwig und ist – eine Goldgrube. Zumindest reicht es für den namensgebenden goldenen Engel auf dem heckenumrahmten Parkplatz, auf dem allerlei prachtvolle Limousinen, Cabrios und SUVs ihren Platz finden, während ihre stolzen Besitzer in dem kleinen Häuschen die sich extravagant gebende Küche von Claude Huppertz genießen. Das „Junior“ im Namen ist mittlerweile eine charmante Übertreibung, schließlich ist über zwanzig Jahre her, dass Claude Huppertz freiwillig dem Michelin-Stern entsagte und aus einem Gourmettempel das leichtfüßige, chromblitzendes Edel-Bistro machte, das es heute immer noch ist.

Es gibt kaum ein Restaurant in Essen, in dem familiäre Herzlichkeit und nonchalanter Hedonismus eine pittoreskere Einheit eingehen. Jeder Ankömmling wird wie ein langjähriger Stammgast empfangen, und die meisten sind auch welche, selbst wenn sie den Panthersprung von Düsseldorf an die Ruhr gewagt haben. Die gut gelaunte, sich verschlufft gebende Kellnerschaft verzichtet aus Lässigkeitsgründen auf die Verwendung von Tabletts und bringt jedes Espressotässchen einzeln mit freier Hand heranbalanciert. In diesem Jahr war die Terrasse des „Ange d’or Junior“ zudem das Paradies für „Hugo“-Trinker. Der definitive Kult-Drink des Jahres 2012 wurde hier in kindskopfgroßen Burgunder-Ballons serviert, die - ordentlich mit crushed ice gefüllt - mit Prosecco, Limettensaft, Minz- und Holundersirup aufgegossen wurden.

Traditionsgemäß ist die Speisekarte von getigerter Exotik und scheint auf die Sehnsüchte des fernreisengewohnten Publikums zu spekulieren. Einträchtig stehen ein „Thailändisches Kartoffelschaumsüppchen & Scampi-Ingwer-Springroll“ (9,50 Euro), ein „Lammcurry Marrakesh in orientalischen Aromen, blaue Feigen & Duftreis“ (28 Euro) oder das koreanische Nationalgericht Bulgogi, mariniertes Prime Beef aus dem Wok, (27,50 Euro) neben fast klassisch anmutenden französischen und italienischen Gerichten. Es macht Spaß den improvisierten Flyer zu lesen, während man von dem zipfelmützenartig angerichteten pikanten Kartoffelpüree nascht, das zusammen mit zwei weiteren Köstlichkeiten als Entree zum Brot serviert wird.

Seit ein paar Kilometer weiter östlich im „Parkhaus Hügel“ die eigene kulinarische Geschichte auf der Speisekarte aufgearbeitet wird, gibt man sich im „Ange d’Or Junior“ ebenfalls historisch-kritisch. Man hat ja schließlich eine beachtliche Historie aufzuweisen. Unter dem Motto „Ange d’Or 1965“ finde ich die Vorspeise „Jacobsmuscheln & Scampi auf pikantem Curryschaum und & schwarzen Beluga-Linsen“ (19,50 Euro). Also wage ich die Reise in die Vergangenheit, die mir allerdings ziemlich modernisiert vorkommt. Die Aromenkombination von Curryschaum und Linsen ist betörend, nur die in Panko, dem groben japanischen Paniermehl gewälzten Jacobsmuscheln sind nicht so knackig wie erhofft. Stattdessen sind sie so heiß, dass sie dampfen, als ich sie mit der Gabel zerteile und ich mir beim Probieren fast die Lippen verbrenne. Ein bisschen mehr Zärtlichkeit beim Braten hätte ihnen gut getan.

Nett dann der Hauptgang: „Wachtelbrüstchen auf schwarzer Porto-Trüffelsauce & Pfifferlingen“ (24,50 Euro), hübsche kleine Fleischportiönchen, die verführerisch ins Mäulchen hüpfen. Neben den saisonalen Pilzen gibt es noch gebratenen grünen Spargel und gegrillte Kartöffelchen dazu, die genauso heiß sind wie die Jacobsmuscheln zuvor. Die Weinempfehlung, ein Ripasso aus dem italienischen Valpolicella, ist in Samtigkeit und Preis (0,2 l 10 Euro) eine gleichermaßen üppige Ergänzung zu der dunklen Portwein-Trüffelsauce.

Beim Dessert wird es dann vollends gemütlich. Das „Grandma Special“ (9,50 Euro) besteht aus hausgemachtem Eierlikör und Schokoladeneis und ist schneller alle, als mir lieb ist.

Nach dem Essen werde ich, der Fremdling im Werdener Luxus-Reservat, genauso herzlich verabschiedet, wie ich empfangen wurde, obwohl ich impertinente Fragen nach zu heißen Jacobsmuscheln gestellt hatte. Ich versuche, den Goldenen Engel auf dem Parkplatz möglichst elegant zu umfahren. Im Vereinsheim des Sportplatzes nebenan haben sie den Grill angeworfen, und als dessen Schwaden über die Hecke ziehen, bin ich froh, dass ich da nicht essen musste.

-kopf

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