Der Artikel erschien erstmalig in "Essen geht aus 2013".
Das Restaurant existiert in dieser Form nicht mehr. Das Hotel Handelshof gehört heute (2024) zu den Select Hotels der NOVUM Hospitality und bietet nur noch ein Frühstücksrestaurant.
Was für Berlin das Hotel Adlon, ist für Essen der Handelshof. Der geschichtsträchtige Hotelbau am Hauptbahnhof ist seit 100 Jahren ein Wahrzeichen der Stadt, nicht zuletzt, weil auf seinem Dach die Leuchtschrift „Essen - Die Einkaufsstadt“ vom Profil der Ruhr-Metropole seit den Wirtschaftswunderjahren kündet. Und auch illustre Betreiber hat das imposante 198-Zimmer-Haus im Laufe der Zeit gehabt. War in den Anfangsjahren vor dem ersten Weltkrieg der Vater des deutschen Filmstars Heinz Rühmann Hoteldirektor, gehört es heute zum Schweizer Gastro-Konzern Mövenpick.
Das Restaurant des Hauses wird hauptsächlich von Hotelgästen frequentiert. Entsprechend ist die Standardkarte gehalten, die sowohl Schweizer Spezialitäten wie „Zürcher Geschnetzeltes mit frischen Champignons an Rahmsauce“ (15/19 Euro) als auch vegetarische Gerichte wie „Bunte Wokpfanne - Knackige Gemüse und Pilze aus dem Wok, mild oder pikant zubereitet serviert mit Basmatireis“ (8,50 / 14,50 Euro) ausweist. Als besondere Attraktion gibt es ein dreigängiges „Ruhr Menü“ (36 Euro), mit dem die Verbundenheit des Hauses zur Region Ruhrgebiet dargestellt werden soll und sein soziales Engagement. Zwei Euro pro Menü gehen an den „Raum 58“, eine Schlafstelle für obdachlose Jugendliche.
Überraschenderweise entsprach das „Ruhr Menü“ nicht dem, was auf der Speisekarte im Internet angekündigt war. Man könne die Seite nicht selbst aktualisieren, das würde zentral geschehen, entschuldigte man sich bedauernd. Auch wurde es nicht den ganzen Tag über serviert, wie ich bei den großzügigen ganztägigen Öffnungszeiten des Restaurants vermutet hatte, sondern erst ab 18 Uhr. Nun gut.
Vom Konzept war das „Ruhr Menü“, das mir schließlich serviert wurde, durchaus eine verfeinerte Variation der Ruhrgebietsküche, wie man es sich bei einem Schweizer Gastro-Konzern vorstellen kann. Allein die Ausführung war etwas lieblos. Als Vorspeise gab es einen Terrine von Maispoularde und Waldpilzen, in der ich das Geflügelfleisch nicht so recht finden konnte. Gebettet waren die kühlen Terrinenscheiben auf Rapunzelsalat mit reviertypischem Sahnedressing, dazu gab es noch ein paar Scheiben gebratenen Speck. Der Hauptgang war recht deftig und bestand aus einer etwas überdimensionalen, und übersalzenen Kalbsfrikadelle auf süßlichem Erbsenpüree und einer kräftig eingekochten Sauce sowie einem Kartoffelküchlein, das wie ein aufgegangenes Soufflé in einem Extra-Glas serviert wurde. Weniger Zähigkeit hätte ich mir bei diesem Gang gewünscht, der mit jedem Bissen im Munde aufquoll.
Auch der Nachtisch, Blaubeerpfannkuchen mit Ahornespuma, war eher enttäuschend. Eigentlich hatte ich auf einen elegante Crêpe gewünscht, stattdessen bekam ich, ganz traditionell geschichtet, halbzentimeterdicke mehlig-feste Eierfladen, gegen die die Blaubeeren mit ihrer animierenden Säure ziemlich machtlos waren. Auch das Ahorn-Schäumchen erwies als eine übersüßte Portion Sahne.
Was mich mit dem Menü schließlich versöhnte, war der Wein, eine 2010er Riesling von Schloß Vollrads (0,2l 8 Euro) – und das leckere hausgemachte Brot, das ganz zu Beginn mit köstlich aromatisiertem Olivenöl und rosa Bergsalz serviert wurde.
-kopf
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