Samstag, 10. Juni 1995

Aus dem Archiv: Gasthof Brendel

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2023 betreibt Dirk Brendel das Restaurant „Frau Specht" In Duisburg.

Bewundernswert, mit welche einer kraftvollen Routine zarte Frauenhände Weinflaschen den Hals brechen können. Ein harter Plopp, und der Korken ist draußen, ein kleiner Schuss in den mit Eiswasser gefüllten Kühler, um eventuelle Korkreste auszuspülen, ein kleiner Schuss in die Kellnerin um festzustellen, ob der Wein auch wirklich nicht umgekippt ist (das alles am Serviertisch hinter den Gästen), und dann mit dem charmantesten Lächeln dem Gast ein Pröbchen eingeschenkt, der den guten Tropfen dann fröhlich riecht, beißt und schmeckt und natürlich auch akzeptiert.

Viel zu tun haben die Bedienungen in ihren rustikal karierten Hemden und weißen Schürzen, wenn freitagabends der „Gasthof Brendel“ brechend voll ist. Der ehemalige Rheinhausener Bahnhofsgastätte erfreut sich, seit er unter der Obhut von Dirk Brendel und seiner Frau steht, bei Leuten, die gern gut essen, größter Beliebtheit. Von der ehemaligen Kneipenatmosphäre ist im Gasthof noch viel erhalten, zwanglos geht man hier zu Tisch.

Die Karte passt auf ein DIN-A-4-Blatt, Tagesspezialitäten werden auf Wandtafeln annonciert. Das Angebot ist klassisch und gut, die Portionen geradezu üppig. Die Vorspeisen mögen manchem reichen, um satt zu werden. Der „bunte Salat mit gebratener Geflügelleber“ war ein Gedicht. Schmackhaft auf einander abgestimmt die verschiedenen Salatsorten, pikant gewürzt mit einer feinen Vinaigrette. Und die gebratene Geflügelleber: außen scharf angebraten, innen cremig weich, dass sie auf der Zunge zerging.

Die Portion Schneckensuppe aus dem Tagesangebot wurde uns in einer schüsselgroßen Terrine serviert, als wollten wir den Löffel am Tisch kreisen lassen. Sie schmeckte jedoch so fein und pikant, dass ich sie komplett allein auslöffelte. Als dann der Hauptgang kam, „Ochsenbrust mit Apfel-Meerrettich-Sauce und Rahmwirsing“, wollte ich das zuerst bereuen. Zwei riesige dicke Scheiben gekochtes Fleisch lagen herausfordernd auf dem Teller, Salzkartoffel, Wirsing und die helle, sämige Sauce – doch es wurde alles alle. Selbst in Wien hätte man einen Tafelspitz nicht besser zubereiten können.

Die Weinkarte war sehr umfangreich, aber viele Weine waren aus. Dass wir uns mit den offenen Weinen begnügen mussten, tat aber nichts. Ein leichter Sancerre und ein kräftiger Chianti Classico brachten beste Qualität ins Glas.
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Kaiserstr. 81, 47229 Duisburg-Rheinhausen

Aus dem Archiv: Costa Azzurra

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. 2024 ging Giovanni Lattarulo in den Ruhestand.


Giovanni Lattarulo ist einer der erfolgreichsten italienischen Gastronomen Duisburgs. Seit über 15 Jahren betreibt er sein rustikal eingerichtetes Ristorante „Costa Azzurra“, seit einiger Zeit auch das spanische Spezialitäten-Restaurant „El Parador“ und einen gemeinsamen Partyservice, über dessen Reklamehandzettel man in der „Costa Azzurra“ nicht hinwegsehen kann.

Vom Mittag bis zum späten Abend bekommt man in der „Costa Azzurra“ hervorragende italienische Gerichte; im Umfeld der großen Bürogebäude hinter dem Duisburger Hauptbahnhof ist so eine lange Öffnungszeit anscheinend lukrativ. Die besondere Aufmerksamkeit der Küche liegt dabei auf dem „frischen Mittelmeerfisch“, wie ein Aufdruck auf der Rechnung informiert. Lachs, Seewolf, Knurrhahn oder Dorade, Scampi und Gamberoni sind je nach Marktlage im Angebot, werden gegrillt oder zu aromatischen Weißwein- oder Sahnesaucen serviert. Auch die Pizze sind nach wie vor empfehlenswert.

Bei unserem Testbesuch überzeugten die pikanten Antipasti, deren kleine Portion man sich nach eigenem Gusto zu schönen Kombinationen zusammen stellen kann. Da gerade Spargelsaison war, gab es selbstverständlich „Gnocchi asparghi“. Die weißen Kartoffelklößchen, der weiße Spargel, die weiße Sahnesauce – zum Hineinsetzen.

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Danziger Str. 26 (Ludgeriplatz), 47057 Duisburg-Neudorf

Aus dem Archiv: Dettmann’s Restaurant

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Ganz so rot wie auf unserem Bild waren beim diesjährigen Testbesuch die Tische in „Dettmann’s Restaurant“ nicht eingedeckt. Das blaue Leinen der Tischdecken machte im Kontrast zu den gelblichen Wänden und den beigefarbenen Verklinkerungen von Kamin, Theke und Durchgängen einen eher biederen Wohnzimmereindruck; gemütlich sitzt man in dem Hotelrestaurant unweit der Duisburger Seenplatte.

Charmant leitet Susanne Dettmann den Service, während ihr Mann Thomas der Chef in der Küche ist. Lange hat er bei dem hochdekorierten Theo Friedrichs im „La Provence“ (TOP TEN Die Edlen) gearbeitet, und manch ein Stammgast schwört auf seine Küche.

In der Tat, was auf der Karte angeboten wird, liest sich gut, deutlich ist ein regionaler Einfluss auszumachen. „Gebratene Entenbrust in Aceto-Balsamico-Sauce mit Wirsing“ zum Beispiel, oder „Spanferkelrücken mit kleinem Semmelknödel an Honig-Altbier-Sauce“. „Schellfisch auf einem Kartoffel-Lauch-Bett mit Senfschaum“ kann man auch als eine edle Variation eines bekannten Freitagsgerichtes aus Mutters Küche bezeichnen.

Und dennoch: Es wurde etwas dick aufgetragen. Aus einer Zucchinisuppe heraus sah einen die dekorative Meeresgetier-Einlage recht lebendig an, und es war schon etwas schwierig, mit dem großen Suppenlöffel das Fleisch aus der kleinen Muschelschale zu löffeln oder aus den kleinen Krebs zu pulen, der mit seinen kräftigen Scheren das Süppchen tapfer bewachte, das ich mir etwas süßer und pikanter hätte vorstellen können.

Auch der Hauptgang war ganz schön heavy. Sicher, für 42 Mark sollte man etwas auf dem Teller verlangen können, aber zwei dicke Kohlrouladen, halb mit Kaninchen und halb mit Taube gefüllt, dazu noch ein gebratener Taubenbollen, ein Stück gefüllte Crêpe-Torte und Gemüse, das war zu viel. Das letzte Stück Taube schmeckte kaum noch, weil es mittlerweile kalt geworden war. Von dem Gericht die halbe Portion und 10 Mark billiger – man wäre satt und glücklich gewesen.

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Kalkweg 26, 47055 Duisburg-Wedau.

Aus dem Archiv: Mühlenberger Hof

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Manfred Schulte iat 2010 verstorben.


„Wat is besser? Stielmus ‚durchenander‘ oder ‚getrennt‘?“ Wenn Manfred Schulte und seine Frau Gisela sich darüber streiten, welche Zubereitungsart des klassischen Ruhrgebietsgemüses die bessere sei, so ist das schon fast eine kleine Kabarettnummer. Ausgerechnet im linksrheinischen Duisburg-Rheinhausen liegt mit dem „Mühlenberger Hof“ der kulinarische Nabel des Reviers. Im letzten Jahr hatte Patron Manfred Schulte das Revier-Kochbuch „Der Pott à la carte“ veröffentlicht und endlich die verschiedenen Küchenströmungen im Schmelztiegel Ruhrgebiet zu einer Regionalküche erklärt. Schultes Motto: Alles, was der Bergmann in seinem Garten gezogen hat, ist Bestandteil dieser Küche, und was er selbst als kreativer Koch damit macht, auch. Denn als gebürtiger Essener ist er ein Kind des Reviers und damit die maßgebliche Instanz.

Auf seiner Speisekarte lesen sich die Gaumenfreuden dann auch wie Mundart-Lyrik: „Salaate aussen Gaaten mitten gebeiztes Entenbrüsken“ oder „Spinatsüppchen mit Markklößkes“ gibt es z.B. als Vorspeisen. „Duett fonnen Hirsch- und Hasenfilet in Holunder“ oder „Halbe Wildente ‚macht unser Omma so‘ und gefüllte Kohlrouladen“ als Hauptgang.

Das „Kohlenpottmenü is ‚ne Überraschung“. Da kommt dann der Küchenmeister persönlich an den Tisch und bestimmt: „Ich sach dir gezz, watte zu essen kriss!“ In unserem Fall sah das dann so aus:

Als Vorspeise gab es ein Kohlrabi-Carpaccio, eine Delikatesse, die man sich nur einfallen lassen muss. Die hauchdünn geschnittenen Kohlrabischeiben, angemacht mit einer milden Vinaigrette, harmonierten vorzüglich mit den gebratenen, warmen Scampi. (Jawohl, die gehören schließlich auch zur Ruhrgebietsküche, denn welcher Kumpel war im Urlaub noch nie am Mittelmeer, hä?)

Die hausgemachten Nudeln mit Sommertrüffeln als zweiter Gang glichen schon fast einer süßen Mehlspeise und bereiteten den Gaumen auf den Hauptgang vor, „Kaninchen à la Schulte“. Das hieß in diesem Fall gebraten und mit verschiedenen gedünsteten Gemüsen angerichtet, hätte aber auch eine „gefüllte Kaninchenkeule auf Mostertsauce mit gefüllten Kohlkugeln in Farben“ sein können, wie der Meister es in seinem Kochbuch empfiehlt. Für den skeptischen Esser sei das Attribut „in Farben entschlüsselt: grün ist der Wirsing und rot der Rotkohl.

Zum Nachtisch gab es dann eine Kreation von Gisela Schulte. Die Konditorin zauberte ihre Spezialität auf den Tisch: „Rübenkrauteis mit Schattenmorellen“, eine wunderbare süß-saure Aroma-Kombination aus rheinischen Zutaten.

Ruhrgebietsküche, das ist in erster Linie eine Frage der Phantasie, und davon haben Manfred Schulte und seine Frau genug. Dass alles handwerklich überzeugend und mit gewinnender Herzlichkeit serviert wird, macht die kleine Reise nach Rheinhausen nur empfehlenswert.

Im Sommer kommt man sich im Hof des kleinen Hotels vor wie in der Toskana oder auf einer spanischen Hacienda. Im Winter kann man es sich im nostalgisch-biedermeierlich eingerichteten Gastraum gemütlich machen

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Hohenbudberger Str. 88, 47229 Duisburg.

Aus dem Archiv: Il Piccolo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Fand sich „Il Piccolo“ im letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“ noch in der TOP TEN Italien alla mamma wieder, so hat das kleine Ristorante, das so unscheinbar in einer noch unscheinbareren Wohnstraße in Duisburg-Hochfeld liegt, den Sprung in die TOP TEN Italien exklusiv geschafft.

Alla mamma wäre sowieso falsch, den „Il Piccolo“ wird nun schon seit 17 Jahren von zwei „Pappas“ geleitet. In der Küche zaubert ildebrando Pais konzentriert und mit grimmigem Blick, während Padrone Alfred Heger mit genauso grimmigem Blick, Kellnerschürze, Pferdeschwanz und Doktor-Caligari-Brille, dafür aber ohne Socken in den Mokassins, den Service „schmeißt“. Lange Wege hat er dabei nicht zurückzulegen, denn die mit allerlei Barockspiegeln und –putten ausstaffierte Gourmethöhle ist, wie der Name schon sagt, nicht groß.

Rühmten wir im letzten Jahr das kleine, aber feine Pizzaangebot und die hausgemachte Pasta, so finden wir diese Gerichte dieses Jahr auf der Karte gar nicht wieder. Das heißt aber nicht, dass man diese Hausmannskost nicht bekommt. Geradezu liebenswert wurde ein junges Pärchen, das anscheinend das erste Mal gemeinsam groß Essen war, in die hohe Kunst der italienischen Pastaküche eingewiesen, als es nach der Lektüre der Speisekarte ganz verschämt fragte, ob es auch Nudelgerichte gebe. Der Padrone schoss gleich eine ganze Batterie von Vorschlägen ab, von Fettuccine mit Krabben und Lachs oder Ravioli mit Steinpilzen über mit Trüffelpatè gefüllte Tortelloni bis hin zur Lasagne. Mit diesem Wort konnte der lukullische Nachwuchs endlich etwas anfangen und meinte, das wolle man haben, und über des Padrones Gesicht huschte ein verständnisvolles Lächeln.

Auch ich wurde von ihm überzeugt, als Vorspeise einen Salat aus dem Tagesangebot zu wählen. Es war ein kleines Kunstwerk aus schönem grünen Rucola und schönen grünen Bohnen, garniert mit schönen roten Pfefferkörnern sowie schönen rosa Scampi und angemacht mit einer unsichtbaren, aber umso aromatischeren Vinaigrette. Als Hauptspeise wählte ich eine Spezialität des Hauses, die auf der Karte aufgeführten „Sardine Ripiene“, mit Ricotta und Basilikum gefüllte überbackene Sardinen auf Tomatenwürfeln. Diese, um es banal auszudrücken, Fischfrikadellen waren in ihrer Einfachheit ein sinnenbetörendes Erlebnis.

Dazu ein hervorragender sardischer Rotwein, und ich wollte gar nicht mehr gehen. Mittlerweile hatte sich nämlich ein äußerst charmantes Völkchen im „Il Piccolo“ eingefunden, das zu beobachten ungeheuren Spaß machte. Ein Herr über 70, mit dem man ohne Probleme in einem Hollywoodfilm die Rolle eines Malers auf dem Montmartre hätte besetzen können, brachte mit seiner kaum jüngeren Dame mit Strohhütchen, Blümchenkleid und kirschroten Lippen einen Hauch französisch-mediterrane Lebensart ins Haus: mehrere Akademiker diskutierten über die Lage des Massenmedien in NRW; und „Piccolo“-Chef Alfred Heger versuchte durch permanentes Abspielen einer CD mit italienischen Mandolinen-Schnulzen gegen die Deutsch-Pop-Musikanten in der Kneipe im Haus nebenan musikalisch anzutönen.
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Tiergartenstr. 8, 47503 Duisburg-Hochfeld

Aus dem Archiv: La Vigie

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es in dieser Form nicht mehr. Das Restaurant im Hotel "La Vigie" nennt sich heute "Ristorante Belvedere".


Wie sich die Zeiten ändern. Während sich unten die darbenden Arbeiter das tägliche Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienen müssen, schlürfen oben die reichen Kapitalisten Austern und Schampus. Dieses Bild, das früher den Klassenkämpfer auf den Plan gerufen hätte, ist im Zeichen des Strukturwandels im Ruhrgebiet Ausdruck für moderne Erlebnisgastronomie. Hoch über dem Duisburger Hafen, im achten Stock eines Hotels, hat man aus den Fenstern des Restaurants „La Vigie“ eines faszinierende Aussicht auf Deutschlands größten Binnehafen und die von der Montanindustrie geprägten Stadt. Allein der gläserne Außenfahrstuhl, die einen in Windeseile nach oben bringt, ist eine Attraktion.

„La Vigie“-Chef Thomas Nentgens und sein Küchenchef André Schröder bringen ein solide deutsche Frischeküche mit französischem Einschlag auf die Tische ihres elegant eingerichteten Restaurants. Eine geschwungene Bar, ein schwarzer Flügel, ein aufwendiger Champagner-Servierwagen versprechen Genuss in edler Atmosphäre.

Von der übersichtlich in „Vorspeisen“, „Suppen“, „Zwischengerichte“, „Fisch- und Fleischgerichte“ sowie Desserts eingeteilten Karte lassen sich schöne Menüs zusammenstellen. Abends gibt der Küchenchef besondere Menüempfehlungen.

Uns überzeugten der „Hausgebeizte Lachs mit Keta-Sauerrahm an Kartoffelplätzchen“ und die gebratenen Bärenkrabbenschwänze am Salatbouquet mit leichtem Knoblauchdressing“ als Einstieg und „Kalbsfilet mit Feigenconfit auf Gorgonzolasauce mit Pistaziennudeln“ und „Entenbrust auf Pflaumenchutney mit Ingwerchampagnerlinsen und Macaré-Kartoffeln“ als Hauptgang. Was sich so imponirenend exotisch liest, schmeckte ganz bodenständig.

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Kasteelstr. 1, 47119 Duisburg-Ruhrort

Freitag, 9. Juni 1995

Aus dem Archiv: Da Raffaele

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Der Besuch musste aus Termingründen am ersten Tag nach der Sommerpause stattfinden , als sich die Restaurantcrew noch nicht wieder auf den Arbeitsalltag eingestellt hatte.


Um den Radiospot eines Großoptikers abzuwandeln: Es gehört nicht viel dazu, sich viel Geld einzustecken, ins „Da Raffaele“ nach Dortmund zu fahren und italienisches dolce vita zu verlangen. Das Ambiente der Villa der langen Wittbräucker Straße passt glänzend zu ihren Gästen mit den italienischen Designerbrillen. Die Wände sind aufwendig postmodern marmoriert (was ungemein gut zu den Wasserflecken in der Herrentoilette passt – oder ist da dem Innenarchitekten nur ein überwältigender Realismus gelungen?) und von kleinen Halogenstrahlern erleuchtet, die mit neckischen Stofffetzen beschirmt sin, die an zerrissene Damenstrümpfe erinnern. Eng stehen die Tische beieinander, der Kellner trällert italienische Volksweisen. Links plaudern zwei Damen mit Brigitte-Frisur und Schneider-Kostümchen miteinander, links turtelt ein verliebtes Pärchen Anfang vierzig, auf dass das karrierebedingte Singledasein wenigstens für den heutigen Abend vergessen wird. Man ist angestrengt heiter, und ich kann nur sarkastisch werden.

Dabei hatte ich mich doch, wie anscheinend alle anwesenden Gäste, auf das Ende der Sommerferien und den Besuch des wieder geöffneten „Da Raffaele“ gefreut. Immerhin stand das Lokal im letzten „Augehen im Ruhrgebiet“ in der TOP TEN Italien exklusiv auf Platz 3, und das schien eine freudige Erwartung durchaus angesagt, Und dennoch geriet der Abend aus den Fugen, denn die Küche schien mit der Vorfreude der Gäste nicht fertig zu werden.

Um es kurz, aber herzlos zu machen: Der „warme Scampi-Salat mit Linsen“ war kaum angemacht; erst, als ich die Linsen beiseite geschaufelt hatte, kam eine Lache Aceto Balsamico zum Vorschein. Der „Meeresfrüchtesalat“ bestand zu 94 Prozent aus sauer eingelegten Tintenfischringen, die in ihrer mächtigen Anhäufung kaum zum Verzehr anregten. Über das „Kalbsfilet in Honigsauce mit Nudeln und Gemüse“ gab’s nicht viel zu meckern, höchstens, dass die Sauce schon ziemlich faltig war – doch das möchte ich der Konsistenz des Honigs zuschreiben. Die Champagnersauce zum Lachsfilet hingegen hatte ein richtige Haut – sie war schlichtweg kalt, während der Fisch lauwarm war und jedes Aroma verloren hatte. Warum diese beiden Mahlzeiten mit ein, zwei Gläschen Wein, Nachtisch und Kaffee knapp 200 Mark kosteten, weiß ich nicht.

Kiebitzige Blicke an die Nebentische verstärkten den frustrienden Eindruck. Die beiden Damen stocherten lustlos in ihren Salaten herum und bemerkten erst, als die eine fragte: „Schmeckt‘s dir überhaupt?“, dass sie eigentlich zum Essen hergekommen waren – dabei sollte man in einem guten Restaurant doch über dem Essen das Reden vergessen. Der Frischverliebte auf der anderen Seite fühlte sich sogar animiert, vor seiner Freundin den Larry rauszulassen und wegen ihres laff gewürzten Nudelteller die Lautstärke im Lokal mit einem noch lauteren „Pfeffer!“ zu übertönen, worauf der Kellner flugs mit einer überdimensionalen Designer-Pfeffermühle kam, aber leider das falsche Gericht bepfefferte.

Musste das alles sein? Mit lockerer Lebensfreude hatte das nichts zu tun.

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Wittbräucker Straße 789, 44265 Dortmund

Aus dem Archiv: Il Golfo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Es war der Prominetentipp des Dortmunder Filmprofessors Adolf Winkelmann aus dem letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“, der uns in die traditionsreiche Pizzeria „Il Golfo“ lockte. Der Tipp war ausgezeichnet.

So gar nicht dem Straßennamen gemäß, säumen graue Häuser im Stil des sozialen Wohnungsbaus der 50-er Jahre das enge, gassenartige Rosental am Rande der Dortmunder Innenstadt. Eher düster wirkt dann auch der mit roten Ziegelklinkern verkleidete Inneraum von „Il Golfo“. Tonnenartige Gewölbenischen erinnern eher an Bergwerksstollen als an den sonnigen Golf von Neapel – eine der Nischen wird konsequenterweise auch als kleiner Weinkeller genutzt, in dem die roten und weißen Tropfen, die man sich allerdings genaustens empfehlen lassen sollte, kühl und dunkel lagern. Doch sobald die Speisen auf dem Tisch stehen, wird es einem glücklich um Zunge, Magen und Gemüt.

Die Batterie von 16 Pizze, die die Karte ausweist, ist ein Tribut an den Massengeschmack, ohne den ein italienisches Restaurant in einer Ruhrgebietsstadt nicht existieren kann – gelungen und empfehlenswert sind sie allemal. Mit weit mehr Enthusiasmus widmet sich die Küche um „Il Golfo“-Chef N. Gargiulo den frischen Pasta-, Fisch- und Fleischgerichten. Die Karte wechselt häufig, so dass sie mit dem Datum versehen wird.

Die Nudeln sind selbstverständlich hausgemacht, und da sollte man der Auswahl des Küchenchefs vertrauen. Zur Zeit unseres Besuches gab es z.B. keinerlei gefüllte Teigwaren, sondern Fusilli, Farfalle und – als besondere Spezialität – Linguine, eine besondere Art der Bandnudel. Die Empfehlung „Linguine all vongole“ konnte getrost gefolgt werden. Leicht und locker kamen die Nudeln mit den Venusmuscheln und den pikant komponierten Kräutern daher.

Rucola, die nussig-scharfe italienische Salatspezialität, in Deutschland auch unter dem Namen Rauke bekannt, war in vielerlei Variationen auf der Karte bestimmend, als Salatteller mit Tomaten und Mozzarella („einfach aber hinreißend“, so mein Testeindruck), als Bestandteil von „Linguine con rucola e gamberi“, als Beilage zum Rumpsteak. Der „Insalata pastorella“, ein gemischter Salat mit Thunfisch, Schafskäse und Oliven überzeugte durch seine liebvolle Mischung. Fenchel findet man nicht immer in gemischten Salaten.

Höhepunkt des Essens war zweifellos „Coniglio alla sorrentina“, eine butterzarte Kaninchenkeule in Tomatensauce geschmort. Die Aromen und Düfte der Kräuter hallten in dem dunklen Sitznischen-Gewölbe geradezu akustisch wider.
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Dortmund-City, Rosental 12
Fon 0231. 57 12 75
täglich 12-15 & 17.30-1 Uhr
http://www.ilgolfo.de/ristorante.html

Aus dem Archiv: Wenkers Brauhaus Krone am Markt

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Seit die Kronenpassage fertig ist, hat der Markt in Dortmund deutlich gewonnen. Im Sommer ist er das Biergartenzentrum der Innenstadt mit „Krone am Markt“ und Am Alten Markt“ befinden sich dort zwei Lokale, in denen sich die Bierbrauer-Tradition der Westfalenmetropole manifestiert.

Mit seinen hölzernen Falttüren macht das „Brauhaus Krone am Markt“ von außen fast den Eindruck eines französischen Bistros, innen ist jedoch alles auf Hopfen und Malz ausgerichtet. Sicherlich, das helle Holzmobiliar scheint von der Folklore-Ausstattungsstange der Systemgstronomie zu stammen, aber viele hübsche Details rund um die beiden kupfernen Braukessel verraten individuellen Geschmack. Ausgestopfte Fasane tummeln sich zwischen Getreidegarben und getrockneten Kornblumen.

Die Bierspezialität, die im Brauhaus ausgeschenkt wird, ist „Wenker’s Naturtrüb“, benannt nach dem Dortmunder Braumeister Heinrich Wenker, der von 1825 bis 1905 lebte. Zu diesem Gerstensaft wird allerlei ur-deutsches Ethno-Food gereicht. Allerdings durchaus frisch zubereitet. „Aus Pott und Pann“ oder „Aus dem Suppentopf“ heißen die entsprechenden Kategorien auf der Speisekarte. „Dicke Bohnen mit Bratkartoffeln“, „Speckpfannkuchen“, „Wenker’s Rosenkranz“ sind ein Tribut an die deftige Dortmunder Kochkunst. Vegetarisch eingestellte Biertrinker kommen bei einer „Gemüsepfanne“ oder frischen Salaten auf ihre Kosten.

Ich labte mich an „Schweinshaxe in Biersauce mit Sauerkraut“ , eine Mahlzeit, die nicht nur fünf Minuten nach der Bestellung auf dem Tisch war, sondern mit 15,80 DM auch eine Qualität bot, die nichts zu wünschen übrig ließ.
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Betenstraße 1, 44137 Dortmund
Fon 0231. 52 75 48
täglich ab 11 Uhr, durchgehend warme Küche
https://wenkers.de/

Aus dem Archiv: La Botte

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Die Tische im Ristorante „La Botte“ stehen in diesem Jahr etwas anders, deshalb hat man etwas mehr Platz in der sich über zwei Etagen erstreckenden Pizzeria. Der Staub auf den Flaschen des Rotweinregals indes verheißt Kontinuität in Ambiente und Küchenleistung. Im letzten Jahr sahen wir hier viele Italiener essen; die mochten diesmal ihre Sommerferien in Bella Italia verbringen, wahrscheinlich war es da kühler. Stattdessen feierte am Nebentisch unter dem Mannschaftsfoto von Borussia Dortmund eine Damengruppe anscheinend ihre Teilnahme am Claudia-Nolte-Lookalike-Contest. Die Damen hatten sich wahrlich kein schlechtes Lokal ausgesucht.

Dass der Kellner schlicht und einfach vergaß, unseren Wunsch nach dem gemischten Vorspeisenteller, der uns letztes Jahr in schieres Entzücken versetzt hatte, an die Küche weiterzuleiten und gleich mit den Hauptgerichten ankam: geschenkt. Schließlich war es der schwülste Tag des Jahres, und der Gewitterblitz hatte gerade in einem benachbarten Dortmunder Stadtteil ein Gotteshaus in Brand gesteckt. Das haut auch einen hitzegewohnten Italiener um. Dass er er uns partout nicht die Weinkarte bringen wollte, auf die die Speisekarte so nachdrücklich hinwies, sondern gleich eine zimmerwarme Flasche Chianti Riserva hinstellte, die uns wie Glühwein durch die Kehle rann und dann - welch Überraschung! – mit glatten 50 Mark zu Buche schlug: egal, ging ja auf Spesen.

Bei allem klimatischen Unbill: Das Essen war wieder ausgezeichnet. Pizza, Pasta und Salate überließen wir den Damen nebenan: so enthemmt, wie sie plauderten, mussten sie aphrodisiakisch gut sein. Wir widmeten uns im Schweiße unseres Angesichts dem „Lachs in Champagnersauce“ und dem „Kalbskotelett auf provençalische Art“ und wurden Bissen um Bissen glücklicher. Wenn der Lachs nach Lachs schmeckt, selbst wenn es sich um Zuchtlachs handelt, dann kann man der Küche für die Zubereitung dieses zum Allerweltsgericht mutierten Edelfischs nur gratulieren. Und das Kalbskotelett, in Tomaten mit Rosmarin und Knoblauch geschmort und mit aromatischen Oliven garniert, erwies sich als die zarteste Versuchung, seit es lila Rindviecher gibt. Zum Abschluss brachten dann die gepfefferten Erdbeeren die innere und äußere Hitze in Einklang.

Unser Urteil: „La Botte“ hat den Hitzetest bestanden.
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Beurhausstr. 21, 44137 Dortmund

 

Aus dem Archiv: La Table

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Es gibt so kleine Tricks, mit denen ein Restauranttester sein Testobjekt neckt. So ist es zum Beispiel bekannt, dass man in das Casino der Spielbank Dortmund ohne Krawatte nicht eingelassen wird. Testfrage: Bekommt man im „La Table“, dem Gourmettempel im Hohensyburger Spielerparadies, ohne Krawatte auch etwas zu essen?

Antwort: Man bekommt.

Und zwar vom Edelsten. „La Table“ gehört zweifellos neben der „Résidence“ in Essen-Kettwig und „La Provence“ in Duisburg zur Spitze der Spitzengastronomie im Revier. Küchenchef Thomas Bühner weiß seine Gäste zu verwöhnen. Seine Kreationen sind reich an kulinarischem Witz und geschmacklicher Vielfalt – obendrein erwecken sie den Nachhall eines glückseligmachenden Gesättigtseins, das noch lang in den nächsten Tag hinein anhält. Allein das Amuse gueulle, zwei üppige Hummer-Tortellini, wären woanders schon ein Menügang gewesen.

Die Vorspeisen tummeln sich irgendwo zwischen Ostasien, Mittelmeer und klassischer Grande Cuisine. „Lasagne vom Atlantikhummer mit gedämpftem Lauch im Ingweraroma“ zum Beispiel, oder „Confit vom Kaninchen mit Gemüsespaghetti an Curry-Balsamico-Sauce“. Die „Variation vom Norwegischen Lachs mit zweierlei Kaviar“ verblüffte durch ihre Geschmacksvielfalt, das „Gratinierte Kalbsbries auf Pfifferlingsrisotto mit Rosmarinschaum und Parmesan“ versetzte mit seinen Aromen in die Wälder Norditaliens.

Ein weiterer alter Tester-Trick ist, die verschieden großen Bestecke falsch zu benutzen um dann zum Herunterfallen nah auf den leeren Teller zu legen, bloß um zu sehen, ob der Service damit fertig wird.

Der Service wurde.

Leicht und locker wurden die Speisen gebracht und mit einem gewinnenden Lächeln aufgetragen, zum Dessert, einem „Gazpacho von der Erdbeere mit Waldbeeren und Pistazieneis“, wurde auf Nachfrage ohne Umschweife das Küchengeheimnis gelüftet, die Erdbeeren nicht nur mit Pfeffer zu würzen, sondern sogar mit Tabasco. Das junge Kellner-Team aus Südafrika war von gewinnender Professionalität. Dass man nur gebrochenes Deutsch sprach, gab der Situation ein weltoffenes Flair, verstanden wurde jedes Wort. Angenehm wirkte sich auch die Weitläufigkeit des Gastraumes aus. Der Service hatte Platz genug, sich zu bewegen und den Käse- und Digestiv-Wagen elegant zwischen den Tischen hin und her zu schleusen.

Doch zu den Hauptgängen. Bei den Fischgerichten fiel die Wahl schwer. „Filet vom weißen Heilbutt auf Gemüsefondue in Fenchelschaum mit Forellenkaviar“, „Gegrillter Loup de Mer auf Safranrisotto im Bouillabaissesud mit Ricard“ oder „Seeteufel im Curry-Blätterteigkissen mit jungem Lauch in Limonen-Butter-Sauce“ ließen wir lässig links liegen, um uns dem „Steinbuttfilet und Hummer im Brickteig an Sud orientalischer Aromen mit Cashewkernen und Pimento“ zu widmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es schmeckte, wie es sich liest!

Auch wenn es den Tierschützern unter den „Ausgehen“.Lesern bös aufstößt: Beim Fleischgericht konnte ich nicht umhin, „Medaillon vom Rehbockrücken mit zart gebratener Gänsestopfleber und glacierten Kirschen in Wacholderjus“ zu ordern. Das Stopfen der Gänse ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber wenn man schon den dekadenten Tafelfreuden frönt, dann richtig!

Tiefaromatisch ergänzten die Kirschen das Wildfleisch, und die sechs eleganten Kartoffelstäbchen, die auf dem Beilagentellerchen sorgsam zu einem kleinen Gitter aufegstapelt waren, glichen fast einer Parodie der berühmten Portion Pommes aus der Bude. (Anm. 2025: Heute weiß ich, dass es sich um in der Pfanne gewendete Schupfnudeln handelte.) Es war der Abglanz des Feudalen, der an diesem Gericht gefiel und der die Motive eines barocken Speisesaales, die bühnenbildgleich auf die raumhohen Wandbespannungen gemalt waren, trefflich ergänzte. Dazu die zwischen lachsfarben und apricot changierenden Orangetöne von Vorhängen und Teppich, und man hatte das Gefühl, in der Kulisse eines Peter-Greenaway-Films zu speisen.

Von den knapp 700 Weinen zwischen 38 DM (ein Riesling von Schloss Reinhartshausen Erbach) und 2500 DM ( ein 1894-er Bordeaux-St. Emilion), die die Weinkarte auflistete, ließen wir uns nicht imponieren, sondern ergaben uns dem Rat von Sommelier Ludwig Vogel, der uns mit seinen Glasofferte um die 10 Mark recht gut bediente.

Auf einen Besuch der Spielbank nach dem Essen verzichteten wir, nicht nur wegen der fehlenden Krawatte. (Anm. 2025: Der Service hätte Leihkrawatten bereitgehalten.) Trotz der Gutscheine, die wir als werbewirksame Beilage zur Rechnung serviert bekamen, wäre spätestens da der Spesensatz von „Ausgehen im Ruhrgebiet“ gesprengt worden.
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Hohensyburger Str. 200, 44265 Dortmund

Aus dem Archiv: Ristorante Roma

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2025) befindet sich hier „Matenaar’s Restaurant“.


Es ist schon so eine Sache mit dem anonymen Testen von Restaurants. Wenn ein alleinstehender Herr am frühen Abend ein Ristorante in Dortmund-Aplerbeck besucht, gleich zwei der opulenten Speisen bestellt und dann noch nachfragt, warum der annncierte Rucolasalat nur Eisbergsalat ist, hat er sich schon entlarvt. „Sind Sie von ‚Ausgehen im Ruhrgbiet‘?“, fragte Frau Guercio, die Patronin, vorsichtig, und als ich notgedrungen nickte, freute sie sich herzlich.

Sie zeigte mir sofort die große Restauration in dem alten, unter Denkmalschutz stehenden Haus mit zwei Gasträumen, die recht rustikal zum Teil mit Antiquitäten eingerichtet sind. Eine große, aufgeklappte Weltkugel beherbergt ein Auswahl an Grappe und anderen Spirituosen; der Biergarten aoll um ein noch mit Büschen bestandenes Gelände erweitert werden. Gäste mit Kindern sind gern gesehen.

Überhaupt geht es in der Pizzeria „Roma“ familiär zu. An den Wochenenden rückt der Schwager des Hauses an, um anspruchsvolle Menüs zu realisieren. Dazu finden sich dann auf der Weinkarte einige nicht zu teure Rot- und Weißweine aus fast allen italienischen Regionen. „Schade“, meint die Patronin, „dass Sie nicht am Wochenende gekommen sind.“ Aber so ist das beim Testen. Wir wollen nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel.

Und die war so là là. Dass die „Gambas Roma“, als „gebratene Gambaschwänze auf Rucola und Cognac“ auf der Karte angekündigt, nur mit Eisbergsalat serviert wurden, habe ich schon bemerkt. Schade eigentlich, denn ich hatte mich auf das Zusammenspiel zwischen dem pikanten Salatgeschmack und dem Cognac gefreut. Und warum die „Funghi alla Crema“, mit Käse überbackene Champignons mit Kräuersahnesauce, ausgerechnet auf Strohkartoffeln serviert wurden, war mir schleierhaft. Warum die Kartoffeln erst zu streichholzdünnen Stäbchen raspeln, wenn sie sich dann beim Überbacken mit Käse und Sauce vollsaugen und in eine feste Masse verwandeln?
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Marsbruchstr. 41, 44287 Dortmund-Aplerbeck

Donnerstag, 8. Juni 1995

Aus dem Archiv: Rimini

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2023 befindet sich hier die „Kleene Tocke“ (klick hier).

Kultur macht hungrig. Das wissen die Besucher des Bochumer Schauspielhauses, und das weiß auch Mario Tribuzio, der schon seit Jahren nicht weit vom Musentempel die Pizzeria „Rimini“ führt. Versprühte der Familienbetrieb früher fast altmodischen Eisdielencharme, so sind seit der Renovierung die Weichen bei Ambiente und Speisenauswahl eher in Richtung „gehobene Gastronomie“ gestellt. Dort scheint allerdings der Zug noch nicht angekommen zu sein.

Über dreißig Pizze zwischen 8,50 und 14 DM sind im Angebot, deren Teig schön dünn und kross und deren Auflagen mäßig, aber lecker sind. 27 Pastagerichte erweisen sich mit diversen Saucen als äußerst nahrhaft, des Weiteren gibt es Kalb-, Rind- und Fischgerichte.

Bei verschiedenen Besuchen erlebten wir unterschiedliche Qualitäten. Je nachdem, wie voll es war. Brot zum Salat gehört anscheinend nicht zum Standard, und wenn man allein oder zu zweit in einer Ecke des geräumigen Gastraumes sitzt, am Nebentisch aber eine große Gesellschaft, so muss man einige Geduld aufbringen.
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Hattinger Str. 10, 44789 Bochum

Aus dem Archiv: Zentral

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Das „Zentral“ bietet Pariser Chic in der Bochumer Innenstadt. Wie ein französisches Bistro liegt es an der Ecke Lusienstraße/Hellweg, und wenn im Sommer die schönen hölzernen Wände weggeklappt sind und man auf dem schmalen Bürgersteig seinen Pernod oder Café au lait trinkt, kommt einem der nahe Südring wie die Champs Elysées vor. Naja, ein bisschen jedenfalls.

Zu den Bistro-typischen Cocktails, Kaffees und Weinen wird eine mediterrane Brasserie-Küche geboten. Salatbouquets mit verschiedenen Fleisch- und Fischzutaten, Nudelgerichte wie „Rigatoni Matrechana“ mit Speck, Zwiebeln, Peperoni und Knoblauch, „Tagliatelle mit Rucola und Tomatenwürfeln“ oder auch eine „Gemischte Fischplatte mit Ratatouille“ und „Lammkoteletts mit Rosmarinkartoffeln und Blattspinat“ laden zum schnellen Mittagstisch. Aber auch zum kleinen Abendessen in zwangloser Atmosphäre.

Doch Obacht: Am späten Nachmittag, n der Zeit zwischen Mittag- und Abendgeschäft, kann es vorkommen, dass ein Salat aus dem Tagesangebot er müde serviert wird, sowohl von der Frische als auch von der Küche her. Doch während dieser Wartezeit lässt sich durchaus was fürs Leben lernen, wenn man seine Ohren spitzt und die modisch chicen Damen am Nebentisch bei der Erörterung ihrer Scheidungsprobleme belauscht. Ein Pariser Bistro eben.
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44787 Bochum, Luisenstraße 15-17
Tel. 0234. 54 45 62 00
Mo-Do 9-0 Uhr, Frau, Sa 9-2 Uhr, So 10-18 Uhr (Küche bis 16 Uhr)
https://zentral-bochum.de/

Donnerstag, 1. Juni 1995

Aus dem Archiv: Alt Nürnberg

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Auch wenn Jürgen Scheffran schon eine Leidenschaft hat, jetzt könnte jetzt eine dazukommen. Der Patron des „Alt Nürnberg“ hat sein Herz nicht nur an den Herd verloren, sondern auch an den Computer. „Nächtelang sitze ich vor dem Ding mit einem guten Fläschchen Wein und probiere neue Programme aus“, seufzt er und bedauert hinter vorgehaltener Hand, dass der Schnäppchenmarkt einer Computerladenkette in Wattenscheid nicht mehr da ist, in den er früher immer gern zum Stöbern gefahren ist und sich vorher bei „McDonald’s etwas reingeschoben“ hat.

Sein Haus weiß er schließlich in guten Händen. Mit Françoise Ellrich als Küchenchefin und Sonja Schromek im Service ist weiterhin jene Qualität garantiert, die das „Alt Nürnberg“ seit Anfang der 80-er Jahre zu einer der ersten Adressen in Bochum gemacht hat. Hinter den Butzenscheiben des nicht mehr so ganz neuen Neubaus gegenüber dem Bochumer Schauspielhaus ist traditionell gemütliche Gastlichkeit mit einem Hauch Nostalgie angesagt.

Verwiesen wir im letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“ auf die asiatischen Akzente der Karte, so herrscht bei dem diesjährigen Testbesuch das Mediterrane vor. Basilikum, Mozzarella, Parmigiano und Olivenöl harmonieren wunderbar mit dem schönen Sommerwetter draußen vor der Tür, etwa bei den „Gebratenen Garnelen auf Mozzarella und sonnengetrockneten californischen Tomaten mit einer Basilikumvinaigrette“ oder anderen Vorspeisen wie Rinderfiletcarpaccio oder einer „Fischsuppe provençalische Art“.

Bei den Hauptgerichten ist jenseits des französischen auch ein leiser regionaler Einfluss zu bemerken. Das „Lachsfilet im Crêpemantel“ wird auf einer leichten Sauerampfersauce mit frischen Gartengemüsen serviert; Flusskrebse, im Ruhrgebiet ursprünglich eine rheinische Spezialität, werden ebenfalls in Crêpeteig gewickelt und – natürlich – mit Basilikumsauce gereicht. Den „Kaninchenrücken im Wirsingmantel“ kann man getrost als regionales Gericht preisen. Die kugelrunde Kohlroulade wird auf einer deftigen, gut sauren Champagner-Senf-Sauce serviert. Als deftig erweist sich auch die Himbeersauce des Desserts, doch der „Mohr im Hemd“, ein saftiges Schokoladenküchlein, fängt das durch die wunderbare Unsüße wieder auf. Überhaupt gefallen die Kleinigkeiten, das Amus geuelle, ein Scheibchen Schinken mit Zwiebeln, und ein Sorbet zwischen den Gängen, das die angeregten Geschmacksnerven wieder abkühlt.

Jürgen Scheffran kann seinen Gästen sicherlich die originellste Weinkarte Bochums vorlegen. Sie schließt mit dem 71-er und 73-er Mouton Rothschild Rothschild sowie einem Romanée-Conti-Gewächs zu ca. 600 Mark ab. Vorher jedoch wird der Weinliebhaber in die Neuen Welten des Weins, in die USA, nach Australien und nach Südafrika entführt.
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Königsallee 16, 44789 Bochum

Aus dem Archiv: Gallo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Das „Gallo“ ist eine der beliebtesten Pizzerien in der Bochumer Innenstadt. Wenn man um einen Drogeriemarkt am Südring herumgegangen ist, findet man den Eingang, der in die erste Etage führt. Dort wird man von einem kleinen, beleuchteten Kühltisch empfangen, in dem Antipasti oder auch frische Fische präsentiert werden. Die rustikalen, in dunklem Holz gehaltenen Sitznischen sind häufig gut besetzt, sonn- und feiertags lohnt sich ein Tischreservierung.

Es muss an der Lage liegen, dass der Laden so „brummt“. Sicherlich, Pizza und Pasta, Fleisch- und Fischgerichte werden mit eleganter Grandezza serviert. Die Spaghetti z.B. werden in einem riesigen ausgehöhlten Parmesan-Laib herangerollt und vor den staunenden Augen des Gastes aufgelegt. Mit viel Schwung wird am Tisch das Trüffelöl auf die schwarze Nudeln geträufelt.

Indes: Das Testessen lag schwer im Magen. Zu üppig waren die Nudelgerichte portionier und zu fettreich die Saucen. Die Bemerkung eines Gastes am Nebentisch sprach uns aus der Seele. Auf die die obligatorische Frage des Kellners „Hat’s geschmeckt?“ beim Abräumen des noch halbvollen Tellers kam die Antwort: „Och jo, aber es war viel zu viel!“

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Kortumstr/Ecke Südring 15, 4478 Bochum