Samstag, 4. Juni 1994

Aus dem Archiv: La Grappa

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1994/1995“.

Italiener pflegen, so vermeldet ein launiger Text auf der Speisekarte des „La Grappa“, mit dem Charterbus in das „nördlichste Ristorante“ zu kommen, um dort, bedient von einem operettenhaft charmantem Serviceteam in kitschig-schöner Dekoration, die italienisch-französischen Kreationen des Küchenchefs Srour Hatem zu genießen: „Steinbutt mit Steinpilzpüree“, „Seezunge auf Linsen“, oder einen „Milchlammrücken“. Seit 16 jahren arbeitet der libanesische Meisterkoch für seinen Padrone Rino Frattesi, der als Pate der exklusiven Italiener in Essen nicht nur über das „La Grappa“ gebietet, sondern auch über den Gourmet-Imbiss „Elysées“ und die „Zeitungsente“. „Die werden alle von Freunden, die bei mir gelernt haben, geleitet“, lacht Padrone Rino, „und zu Weihnachten kommen sie dann und bringen mir ein- oder zweitausend Mark.“ Mamma mia!

Nichtstammgäste werden von Rino erst einmal neugierig beäugt, besonders, wenn sie sich über eine Prise Salz zuviel in der „Bohnensuppe mit Scampi“ beschweren oder das „medium“ beim Rinderfilet mit „zäh“ übersetzen. Das wird dann nicht großartig entschuldigt, sondern, dem Ruf des Hauses entsprechend, durch einen deftigen, typisch italienischen Nachtisch wieder gut gemacht, der sich jenseits des neureichen Kartenabgebots von „iranischem Kaviar“, „irischen Felsenaustern“ und „Gänsestopfleber“ bewegt. Bei exzellenter Salami, pikantem Trüffelkäse, intensiv schmeckenden Lamm-Bratwürstchen und schwerem apulischem Rotwein gesteht dann der international anerkannte Grappa-Experte Rino Frattesi, dass er am liebsten mit den Fingern isst und bei der gediegen italo-kitschigen Ausstattung seines Hauses auch gern einmal selbst die fliesenlegerische Hand anlegt.

-kopf


Essen-Südviertel, Rellinghauser Str. 4
Fon 0202. 23 17 66
Mo-Fr 11.30-14.30 & 17.30-23.30 Uhr, Sa 17.30-23.30 Uhr, So geschlossen
https://www.la-grappa.de/

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