Freitag, 3. Juni 1994

Aus dem Archiv: Mühlenberger Hof

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1994/1995“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Regionale Küche? Das ist für Manfred Schulte, Chef des „Mühlenberger Hofs“, im Ruhrgebiet fast alles. „Sehen Sie sich doch an, was die Bergleute in ihren Gärten gezogen haben und was sie an Kleinvieh gemästet haben, Geflügel, Lamm, Ziege, Kaninchen!“

Dass Manfred Schulte, geboren in Dortmund, aufgewachsen in Essen, überzeugter Ruhrgebietler ist, sieht man seinem zum Hotel umfunktionierten alten Bauernhof in Duisburg-Rheinhausen deutlich an. Die verklinkerte Fassade zur Straße hin nennt er selbst „potthässlich, aber typisch. Die bleibt so!“ Der Gastraum selbst ist gemütlich-nostalgisch eingerichtet; im Hof, wo auch gedeckt wird, kommt man sich bei Sonnenschein vor „wie inne Toskana“.

Die im Kohlenpott-Deutsch verfasste Speisekarte wechselt alle vier Wochen. Beim ersten Besuch erinnerte die fein angemachte rheinische Entenbrust an ein italienisches Carpaccio. Beim zweiten Mal gab es dann das „Kohlenpott-Menü“: eingelegte Sardinen mit Anis, Minze und Fenchel, drei Sorten Nudeln mit Pfifferlingen in Rahmsauce und Mostert-Braten in Senf-Rübenkraut-Sauce und gekochtem Kappes und Stampfkartoffeln. Zum Schluss, als Krönung, Rübenkrauteis mit Schattenmorellen, eine Kreation von Schultes Frau Renate.

Irgendwie erinnerte das alles ans sonntägliche Mittagessen zu Hause, so gar nicht überkandidelt und edel. Manfred Schulte grinst: „So soll es auch!“

Seinen Kunden gefällt es. Besonders beharrlichen Immer-Wieder-Essern verleiht er – ganz so wie die Gastrokritiker den Köchen die Sterne – einen ganz persönlichen Orden: die Kochmütze. Einmal im Jahr werden alle Mühlenberger Kochmützen zum Treffen eingeladen. Und sie kommen – und das, obwohl sie das Menü bezahlen müssen.
-kopf

47229 Duisburg-Rheinhausen, Hohenbudberger Str. 88

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